Abstellgleis soll schöner werden

Nordrhein-Westfalen will seine verwaisten Bahnhöfe und Gleise zur Stadt machen: Gestern schnürten Bauminister Vesper und die Deutsche Bahn ihr zweites Paket zur Umnutzung von Bahnflächen

aus DÜSSELDORFANNIKA JOERES

Das ausgedünnte Bahnnetz hat seit gestern auch gute Seiten: Alte Bahnflächen sollen in Nordrhein- Westfalens Städten neu genutzt werden. Städtebauminister Michael Vesper (Grüne) und der NRW-Chef der Bahn, Reiner Latsch, unterzeichneten in Düsseldorf das Paket „Bahnflächenpool NRW“. Demnach wird die 2002 gemeinsam gegründete Bahnflächenentwicklungsgesellschaft (BEG) nun für die Vermarktung von insgesamt 17 Millionen Quadratmetern Bahnfläche in 202 Kommunen zuständig sein. Darauf sollen Wohnhäuser, Gewerbegebiete, Radwegenetze, Parkplätze oder Naturflächen entstehen.

„Das ist ein bundesweit einmaliges Projekt“, lobte sich der grüne Bauminister und auch Latsch hofft, dass andere Bundesländer nachziehen. „Wir haben jetzt die einmalige Gelegenheit, in den Städten zu wachsen ohne Freiflächen zu verbrauchen“, sagte Vesper. Einmalig sei auch die enge Kooperation mit den Städten. „Sie wussten häufig nicht, was sie mit den Flächen anfangen sollen und haben daraus Flohmärkte und den x-ten Möbelmarkt gezimmert.“ Flächen in guter und zentraler Lage seien so unter Wert verhökert worden.

Mit der schon vor drei Jahren gegründeten BEG wird nun in 205 Kommunen verlassene Gleise oder Bahnhofsgebäude vermarktet. Das sind gut zwei Drittel der NRW-Städte, die überhaupt noch Altlasten der Bahn zu verwalten haben. 2002 wurde schon der erste Bahnflächenpool gegründet, damals mit gut 100 Kommunen. Für das jetzige Projekt erhält die Bahn vom Land 40 Millionen Euro, die, wenn der Verkauf gut läuft, in ein paar Jahren wieder eingenommen werden sollen. „Da sind wir ganz zuversichtlich“, so Vesper und freut sich über die kostenlose Stadtentwicklung.

Was aus den Bahnimmobilien wird, entscheidet die jeweilige Kommune. In Schmallenberg zum Beispiel entsteht auf einer alten Bahntrasse ein 80 Kilometer langer Radweg durchs Sauerland, in Ascheberg entstand ein neuer Bike-and Ride-Bahnhof. Die Zukunft der alten Bahnhofsgebäude ist meistens kommerziell: In Lenneberg wurde aus einer verlassenen Kachelhalle ein Reisebüro und eine Bäckerei, in Ergste residiert in einer vormals zugemauerten Empfangshalle nun eine Technologiefirma.

Nicht alle Gebiete in NRW sind in dem Pool: Die großen Städte im Ruhrgebiet, Münster, Köln, Aachen und Bonn müssen ihre Flächen weiterhin selbst vermarkten – oder nutzen alle Gleise und Gebäude weiter. Vor allem auf dem Land hat die Bahn Strecken aufgegeben oder Bahnhöfe verwaisen lassen, die jetzt vermarktet werden. Bahn-Chef Latsch widerspricht dennoch, dass die verfügbaren Flächen zu Lasten der ZugnutzerInnen gingen. „Freie Flächen müssen nicht bedeuten, dass wir uns aus dem Betrieb zurückgezogen haben“, sagt Latsch. Die Bahn hätte auch in die Technik investiert und so zum Beispiel Rangierbahnhöfe verkleinern können. „Bei diesem Pakt gibt es nur Sieger“, so Latsch.