Indische Verwirrung

Die indische Nationalhymne soll nach 55 Jahren geändert werden. Wegen einer Provinz, die in Pakistan liegt

Gestern feierte „Jana Gana Maga“ vom indischen Nobelpreisträger Rabindranath Tagore ihr 55. Jubiläum als offizielle Nationalhymne Indiens, vielleicht das letzte Mal in ihrer Urform. Das Stück von 1911 beschreibt die Herrlichkeit einer höheren Kraft, die das indische Reich führt, worunter einige Provinzen aufgeführt sind.

Das oberste Gericht hat einer Klage stattgegeben und entschieden, dass die Provinz „Sindh“, die nach der Spaltung in Pakistan liegt, nicht mehr erwähnt werden solle. 55 Jahre störte dies niemanden. Nun empfiehlt das Gericht, Kaschmir könnte an Stelle von Sindh treten.

Ein billiger Versuch, behaupten Änderungsgegner, das Nationalgefühl der Bewohner dieser umstrittenen Provinz zu stärken. Der Klageführer jedoch lässt wissen, dass er durch seine Klage Sindhis nicht beleidigen wollte, schließlich haben sie einen prägenden Einfluss auf die Kultur Indiens gehabt. Vielmehr sei ihm sehr daran gelegen, einen internationalen Konflikt zu vermeiden. „Wenn die Angelegenheit von Pakistan vor ein internationales Forum gebracht würde, könnte sich eine peinliche Situation ergeben“, sagte er der indischen Presse.

Dabei erfolgt dieser Vorstoß in einer Zeit der Entspannung des indisch-pakistanischen Verhältnisses. Trotz immer wiederkehrenden Eiszeiten, Atomtests und Grenzscharmützeln hat Pakistan dieser Sache noch keine Beachtung geschenkt.

Änderungsgegner sehen ausgerechnet in der deutschen Nationalhymne ein Kontra-Argument. Sie „wurde im 19. Jahrhundert geschrieben, als Deutschland aus vielen unabhängigen Staaten bestand, und die erste Strophe sagt: Von der Maas bis an die Memel, vom Etsch an den Belt“. Es herrscht also doppelter Klärungsbedarf. NATALIE TENBERG