DIE ATOM- UND KOHLELOBBY BRAUCHT NACHHILFE IN TECHNIKGESCHICHTE
: Aus Erfahrung billig

Wenn Atom- und Kohlelobby heute über die angeblich so hohen Kosten der Windkraft jammern, benötigen sie ein wenig Nachhilfe in Wirtschafts- und Technikgeschichte. Erinnern wir uns an die Frühzeit der Kohleverstromung; da musste der Kunde für die Kilowattstunde – auf heutige Preise anhand des Stundenlohns umgerechnet – rund 30 Euro bezahlen. Anders ausgedrückt: Strom aus fossilen Energien wurde in den vergangenen hundert Jahren um den Faktor 200 billiger. Selbst in den Sechzigerjahren war Kohlestrom (in Relation zum Einkommen) noch viermal so teuer wie heute.

Die noch jungen erneuerbaren Energien sollten die gleiche Chance bekommen, zu reifen – und entsprechend billiger zu werden. Die Windkraft hat längst bewiesen, dass sie dazu in der Lage ist. Seit den Pionieranlagen der frühen Neunzigerjahre ist der Preis für die Kilowattstunde Windstrom um 60 Prozent gesunken. Und die Entwicklung wird weitergehen – zwischen 2010 und 2015 wird Strom aus Windkraft zu marktfähigen Preisen zu produzieren sein. So kommt dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das heute die Förderung des Ökostroms sichert, eine vornehme Rolle zu: Das Gesetz ist darauf angelegt, sich selbst überflüssig zu machen.

Dass die einstigen Strommonopolisten dennoch stets über den Ökostrom jammern, ist zwar verständlich, weil jede Kilowattstunde aus privaten Windkraft- und Solaranlagen den Etablierten Marktanteile nimmt. Die Art, wie die Branche agiert, indem sie stets auf den Mehrkosten dieser jungen Technik herumreitet, ist jedoch unredlich.

Stattdessen sollte sie, wie gesagt, lieber ein wenig die Historie technischer Innovationen studieren. Denn auch die ersten Autos kosteten ein Vermögen – erst die Masse machte sie erschwinglich. Computer waren nicht immer so billig wie heute, und auch das Telefonieren war noch im letzten Jahrzehnt erheblich teuer. Kurz: Es ist das Wesen von Technik, dass sie billiger wird, während sie sich etabliert. Wer derzeit die Stromlobby hört, könnte meinen, die Windkraft sei gerade dabei, dieses alte Gesetz der Ökonomie zu widerlegen.

BERNWARD JANZING