Berlin streitet um Marschverbot

Weil die NPD am 8. Mai durchs Brandenburger Tor will, wird ein Einschränken des Demorechts diskutiert

BERLIN taz ■ Nach dem NPD-Skandal im sächsischen Landtag verlagert sich die Auseinandersetzung mit der Neonazipartei in die Hauptstadt. Denn der nächste NPD-Showdown steht bereits im Terminkalender der Berliner Versammlungsbehörde: der 8. Mai.

Bereits vor zwei Monaten hat der NPD-Parteinachwuchs Junge Nationaldemokraten (JN) für den 60. Jahrestag der deutschen Kapitulation das Brandenburger Tor und die umliegenden Straßen für sich okkupiert. Unter dem Motto „60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult“ wollen am 8. Mai tausende von Neonazis unter dem symbolträchtigen Bauwerk durchmarschieren und dann zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung auch am nahe gelegenen Holocaust-Mahnmal vorbeiziehen.

Nun tobt in Berlin erneut die Debatte, ob das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden soll, wenn Neonazis marschieren. Ausgerechnet aufrechte Demokraten wie der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, SPD-Generalsekretär Uwe Benneter oder auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagten Ja und forderten einstimmig eine Einschränkung des Versammlungsrechts. Demonstrationen müssten untersagt werden, „wenn sie reine Provokationen sind, die das Andenken an Verstorbene in Mitleidenschaft ziehen“, sagte Spiegel. Benneter fürchtet um das Ansehen Deutschlands „an diesem historischen Ort und an diesem wichtigen Datum“. Und Lea Rosh, Mitinitiatorin des Holocaust-Mahnmals, hatte bereits im Dezember eine ganze Bannmeile um das Mahnmal gefordert: „Ich hätte es nicht gerne, wenn die NPD hier aufmarschiert und Faxen macht.“

Es ist keineswegs das erste Mal, dass die NPD versucht, durchs Brandenburger Tor zu laufen. Versuche und Anmeldungen gab es unzählige. Meistens waren die Anträge der Neonazis aber so fehlerhaft formuliert, dass es für die Versammlungsbehörde ein Leichtes war, die Aufmärsche zu unterbinden. Nach einer Demonstration nahe der britischen Botschaft an der Wilhelmstraße zum Gedenken an den Altnazi Rudolf Hess im August des vergangenen Jahres gelang etwa 60 Neonazis dann aber dennoch der Durchmarsch. Die Polizei musste daraufhin „schwerwiegende Fehler“ einräumen.

Dass es auch anders geht, zeigten hingegen Initiativen gegen Rechtsextremismus im Jahr 2000. Damals versuchten etwa 1.400 Neonazis schon einmal, unter dem symbolträchtigen Bauwerk durchzulaufen. Die Zahl der Gegendemonstranten war jedoch so groß, dass der rechte Zug am Alexanderplatz gestoppt werden konnte und die Polizei die Veranstaltung auflöste. Noch heute feiern sich die Initiatoren der Gegendemos, weil sie beweisen konnten, dass Neonazis auch ohne richterliche Beschlüsse aufzuhalten sind.

Aktuell prüft Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), ob ein Verbot am 8. Mai möglich ist. Der Rechtsexperte der grünen Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, hält davon gar nichts. „Um sich gegen Verfassungsfeinde zu wehren, kann man nicht die Verfassung kaputtmachen.“

FELIX LEE