LESERINNENBRIEFE
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■ betr.: „Krankheit im Herzen“, taz zwei vom 27. 5. 09

Es geht um das Zuhören

Dieser Artikel erweckt den Eindruck, als wäre die Erkenntnis über die Andersartigkeit von psychischen Erkrankungen von Migranten neu. Untersuchungen aus den 70er-Jahren haben bereits deutlich gemacht, dass der Krankheitsausdruck natürlich kulturspezifisch ist. Es gibt daher schon lange Ärzte und Therapeuten, die mit diesem Wissen Patienten aus der Türkei oder Marokko usw. betreuen. Die sprachlichen Probleme sind dabei nicht die wirklich große Hürde, weil der Begriff „Krankheit im Herzen“ kein Spezifikum des Islam ist. Wer der eigenen Sprache mächtig ist, weiß, dass diese Begrifflichkeit mehr diagnostischen Gehalt hat als der Begriff einer bipolaren Störung. Es geht hier also um das Zuhören. Wenn mit schulmedizinischem Verständnis Medikamente verordnet werden, dann hat dies bei einem Migranten einen ähnlichen Effekt wie bei deutschstämmigen Patienten, die ebenfalls nicht verstanden werden. Da Migranten psychische Störungen vermehrt auf körperliche Symptome beziehen, ist es eben ausgesprochen hilfreich, wenn nicht der Blinddarm herausgenommen wird, sondern manualtherapeutische Verfahren eingesetzt werden, um sich dem Patienten zu nähern. Dann fühlt er sich ernst genommen und kann sich auch in seinen psychischen Problemen öffnen. Häufig tun ausländische Patienten dies lieber gegenüber deutschstämmigen TherapeutInnen, weil sie so nicht den Klatsch und Tratsch innerhalb ihrer eigenen Gemeinde fürchten müssen.

STEPHANIE VON FRANKENBERG

■ betr.: „Mythos Milch“,taz vom 29. 5. 09

Keine Lappalie

Im Artikel klingt es beinahe so, als wäre der Konsum von Milch etwas Schädliches. Der Vergleich mit der höheren Lebenserwartung der Italiener aufgrund ihres Konsums von ungesättigten Fettsäuren anstelle von Milchprodukten ist nicht haltbar. Dass die Deutschen zu Übergewicht neigen, liegt am Mangel an Bewegung, am Konsum von Alkohol und Süßkram sowie Fast Food. Zudem hat die Ausschweifung über das Koch- und Kaffeeverhalten Italiens versus Deutschland überhaupt nichts mit dem Thema zu tun. Deutsche Milchbauern sind verzweifelt, und wir sollten dies nicht wie eine Lappalie behandeln. BRITTA FEUERSINGER, Berlin

■ betr.: „Zu spät“, taz vom 24. 5. 09

Kein Thema

Kurz gesagt: Wenn ein Thema kein Thema mehr ist, ist es auch für die taz kein Thema mehr. Als Ratschlag zur Pressearbeit an linke und bewegte Kreise kann ich das sogar nachvollziehen. Als Selbstbeschreibung der taz irritiert es mich. Schließlich erwarte ich von meiner Zeitung, auch den „long tail“ der Nachrichtenlage anzugehen, Hintergründe darzustellen, was anderswo an der Geschwindigkeit des Tagesgeschäfts scheitert, und Themen wieder aufzunehmen, wenn es gute Gründe dafür gibt, auch wenn sie „schon durch“ sind. Also: eben nicht rein nach Standardregeln des massenmedialen Betriebs zu funktionieren. TILL WESTERMAYER, Freiburg

■ betr.: „An Biederkeit ist das nicht zu übertreffen“,taz vom 28. 5. 09

Lohnende Schulden

Wer baut denn ein Haus, ohne eine Hypothek aufzunehmen? Und wird nicht Studierenden zugemutet, dass sie ihr Studium zumindest teilweise mit Darlehen, also mit Schulden, finanzieren? Es geht nicht darum, keine Schulden zu machen, sondern es geht darum, nur Schulden zu machen, die sich auf Dauer lohnen und die man deshalb verantworten kann. Dass Politiker dem Volk vormachen, sie seien eigentlich außerordentlich sparsam, wenn sie gleichzeitig riesige Schulden machen, die nur zum Teil sinnvoll und notwendig sind, ist populistisches Theater und auf Dauer schädlich.

ULRICH FINCKH, Bremen