CDU-Kulturpolitik
: Postmoderne Schelte

Jürgen Rüttgers gibt den Philosophen, denn der christdemokratische Oppositionsführer findet sich in der Postmoderne nicht mehr zurecht. Deutsche Kultur – das ist für ihn nicht nur ein Zauberwort, sondern auch ein Bollwerk gegen Fanatismus, Fundamentalismus, Irrationalität, also alles was man nicht versteht oder was man eben nicht im Land haben will. Devisen wie „Erlaubt ist, was gefällt“ oder „anything goes“ gehörten auf den Müll, weil sie keine Antworten auf den Sinn mehr geben würden und nur noch das Ende von Utopien propagierten. Wenn Rüttgers damit eine kulturtheoretische Diskussion anfachen wollte, könnte man über derartige Statements hinwegsehen oder sich auch daran reiben. Nachdenklich macht das Beispiel, das der Christdemokrat für das Ende der Fahnenstange benutzt: Wenn ein Ausländer seine Zweitfrau auch noch umsonst krankenversichern wolle, dann sei für die CDU das Ende der Kultur erreicht. Ob dies tatsächlich nach unserem Versicherungsrecht möglich ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig. Wichtig ist nur der Unterton im Beispiel, der wieder einmal zeigt, wohin es nach Ansicht der Opposition in Nordrhein-Westfalen in Zukunft gehen soll: Deutsche Kultur soll gegenüber ausländischen Mitbürgern und deren Werte wieder aufgewertet werden. Sie soll damit das kulturelle Alleinstellungsmerkmal für Einheimische werden. Eine multikulturelle Gesellschaft, an der alle gleichberechtigt teilhaben könnten, wäre damit am Ende. Spannungen in den Bevölkerungsschichten nähmen zu. PETER ORTMANN