Die unterbrochene Standleitung

Der Konflikt zwischen WDR und Landesregierung hat seine Wurzeln schon in den 1990ern: Der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) hinterließ ein mediales Trümmerfeld

ANALYSE VON PAUL NEUMANN

Seit einigen Wochen beharken sich die Landesregierung und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in aller Öffentlichkeit. Kaum eine Gelegenheit lassen Intendant Fritz Pleitgen und der Rundfunkratsvorsitzende Reinhard Grätz (SPD, bis 2000 Mitglied des Landtags) aus, um sich über die Medienpolitik der Staatskanzlei von Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) zu beschweren. Ausgerechnet im Landtagswahljahr scheint die Beziehung zwischen Regierung und Sender zerrüttet. Wie konnte es dazu kommen?

Als Nachfolger von Wolfgang Clement ist Regierungschef Steinbrück nicht zu beneiden. Er musste ein wahres Trümmerfeld von medialen Investitionsruinen aufräumen: Die Medien GmbH, das Europäische Medieninstitut, die Abwanderung der popkomm, die Abwicklung und die drohende Abwanderung von Viva nach Berlin, bis hin zur Personalie der ehemaligen Regierungssprecherin von Clement und Noch-Staatssekretärin Miriam Meckel („Deutschlands jüngste Professorin“). Steinbrücks Fehler: Neben all dem Aufräumen von Clements Trümmern fehlt bisher jede Idee für eine realitätstaugliche und konstruktive Landesmedienpolitik.

Falsch beraten von Meckel und dem ehemaligen Bertelsmann-Manager Fässler ließ sich Steinbrück von seinem bayrischen Pendant Edmund Stoiber (CSU) aufs Glatteis führen. Die beiden lehnten in einem gemeinsamen Papier nicht nur eine Erhöhung der Fernsehgebühren ab, sondern erteilten auch noch eine Menge ungebetene Ratschläge: Abschaffung kostspieliger Kulturprogramme, Abwicklung von Rundfunkorchestern, Verkauf von Sportrechten an Privatsender und vieles mehr.

Als die von den Bundesländern ernannte „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) eine nötige Gebührenerhöhung von 1,09 Euro ermittelte, wichen die Länderregierungschefs von diesem Vorschlag um 21 Cent ab. Das scheint zwar eine lächerliche Differenz zu sein. Wichtiger aber ist die Symbolik: die nötigen Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender werden also nicht unabhängig ermittelt, sondern staatlich von Regierungschefs reglementiert. Das ist ein Unterschied, der in Brüssel bei der Europäischen Kommission sehr interessiert, denn den dortigen neoliberalen Freunden von Rupert Murdoch aus Großbritannien, Silvio Berlusconi aus Italien, und den deutschen Firmen Bertelsmann und Springer sind öffentlich-rechtliche Sender prinzipiell ein „wettbewerbsrechtlicher“ Dorn im Auge.

Verständlich also, dass einem WDR-Intendanten darüber zwar nicht die satirische Schärfe, aber doch das Lachen vergeht.

Zu Zeiten von Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) war die Welt noch in Ordnung. Der Rundfunkratsvorsitzende Grätz war und ist einer seiner besten Wuppertaler Freunde. Zwischen Sender und Regierung passte damals noch kein Blatt Papier. Kommuniziert wurde nicht über die Presse, sondern übers Telefon. Mit Wolfgang Clement verband Fritz Pleitgen immerhin noch eine durch guten Rotwein stabilisierte Männerfreundschaft. Mit Steinbrück dagegen – bisher – Funkstille. Es gibt Versuche das noch rechtzeitig vor dem Landtagswahlkampf zu ändern. Die SPD hat es nötig. Das WDR-Fernsehen hat schließlich mehr Zuschauer als die größten NRW-Zeitungskonzerne Leser.