Reizgas in der Tram

Wie viele Bremer Fahrkarten-Kontrolleure sind bewaffnet? „Kein einziger“, sagt deren Chef. „Fast alle“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Die BSAG zeigt sich „entsetzt“

Bremen taz ■ Luigi Controletti kommt – und gut möglich, dass er auch bewaffnet ist: „Fast jeder hat einen Schlagstock, viele CS-Reizgas und einige wenige Elektroschocker“, sagt Horst S., bis Juli vergangenen Jahres selbst vier Jahre lang als bewaffneter Fahrkarten-Kontrolleur des Bremer Service Teams (BST) unterwegs. In der Dienstanweisung des BST allerdings steht etwas ganz Anderes: „Der Dienst wird ohne Waffen versehen.“

Waffen seien „strikt untersagt“, bekräftigt Andreas Ehlers, Geschäftsführer der BST. „Sie gehören nicht zur Ausrüstung unserer Mitarbeiter.“ Allenfalls bei „einigen wenigen“ der insgesamt rund 50 BST-Kontrolleure vermutet Ehlers eine Waffe. Würden diese zu Tage gefördert, drohe eine Abmahnung, sagt er: „Da würde ich in die Luft gehen.“

Auch der Unternehmenssprecher der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), Jens-Christian Meyer, zeigt sich „entsetzt“ bei der Vorstellung, dass im Auftrag der BSAG bewaffnete Kontrolleure unterwegs sein könnten. „Das kann man nicht billigen. Ich gehe davon aus, dass so etwas nicht vorkommt“, sagt er. Erst kürzlich hat das Amtsgericht zwei BST-Mitarbeiter wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Sie hatten im April 2002 einen renitenten Fahrgast mit dem Schlagstock traktiert.

„Wir wollen keine Rambos“, betont Ehlers. Schließlich setze man auf Deeskalation. Regelmäßige Schulungen sollten gewährleisten, dass die Kontrolleure sich in Krisensituationen unter Kontrolle hielten und Konflikte mit den Fahrgästen bewältigen könnten – ohne Gewalt.

Von der BST würden auch frei verkäufliche Waffen deshalb gar nicht erst angeschafft, betont Ehlers: „Wir haben das nie überlegt.“ Horst S., Ex-Betriebsratsvorsitzender bei der BST, hat das ganz anders in Erinnerung. Nur „aus Kostengründen“, behauptet er, habe die Firma auf Waffenanschaffungen verzichtet.

Völlig verboten werden können Teleskop-Schlagstöcke oder Reizgas-Sprays nicht. Schließlich sind sie nicht genehmigungspflichtig und dürfen von allen BürgerInnen getragen werden, ohne dass diese dafür belangt werden können. Das räumt BST-Chef Ehlers ein. Verbieten könne die BST nur das offene Tragen solcher Waffen.

Einige Kontrolleure nutzen diese Rechtslücke offenbar weidlich aus – kommt es doch nach Ehlers Worten rund 50 Mal im Jahr zu Übergriffen auf die Controlettis. „Naturgemäß“ bestehe deswegen bei fast allen der Wunsch nach „geeigneten“ Verteidigungsmitteln, sagt S. „Geeignet“ ist demnach, „was sich leicht in die Tasche stecken lässt.“ Der 38-Jährige weiß, wovon er spricht: Er steht derzeit wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht – weil auch er im April 2002 mit auf den jugendlichen Fahrgast eingeprügelt haben soll. „Einen bedauerlichen Einzelfall“ nannte dies gestern die zuständige Staatsrätin vor Bremer Abgeordneten in der Stadtbürgerschaft. Die Fraktion der Grünen hatte angefragt, wie es sich mit der Bewaffnung der Kontrolleure in Bussen und Bahnen verhalte. Nach offiziellen Angaben sind nur Handschellen erlaubt. Jan Zier