Freispruch vom Vorwurf des Terrorismus

Mailänder Richterin verurteilt drei Mitglieder der Gruppe Ansar al-Islam nur wegen Passfälschung und Schleuserei

ROM taz ■ Mit einem spektakulären Urteil wurden in Mailand drei Mitglieder der im Irak operierenden Organisation Ansar al-Islam vom Vorwurf der Bildung einer internationalen terroristischen Vereinigung freigesprochen. Die Angeklagten, zwei Tunesier und ein Marokkaner, waren beschuldigt, in Italien Geld für Ansar al-Islam gesammelt sowie Kämpfer für die Gruppe angeworben, nach Italien geschleust, mit falschen Pässen ausgestattet und dann in den Irak geschickt zu haben. Die Staatsanwalt behauptete zudem, fünf dieser Kämpfer hätten später Selbstmordanschläge begangen.

Diese Vorwürfe sah die Einzelrichterin Clementina Forleo in ihrem am Montag gefällten Urteil als erwiesen an. So verurteilte sie die Angeklagten zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren – aber nicht wegen Terrorismus, sondern wegen Passfälschung und Unterstützung der illegalen Einwanderung. Der Terrorvorwurf sei nicht zu halten, auch wenn Italien nach den Anschlägen des 11. September den neuen Strafrechtsparagraphen zum internationalen Terrorismus eingeführt hatte. Dieser ermöglicht es, Aktivitäten in Italien zu verfolgen, die der Vorbereitung von Terrorakten im Ausland dienen.

Den Angeklagten sei bewusst gewesen, so das Urteil, dass sie den bewaffneten Kampf der Ansar al-Islam unterstützten. Die Frage aber bleibe, ob Ansar al-Islam eindeutig als terroristische Gruppe einzustufen sei. Zumindest zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten – die bis März 2003 reichen – gebe es dafür keine schlüssigen Anhaltspunkte.

Allein die Tatsache, dass Ansar al-Islam im Falle einer US-Invasion zum Kampf bereit gewesen sei, reiche nicht. Der Artikel 18/2 der UNO-Konvention von 1999 zum Terrorismus legitimiere auch „bewaffnete Gruppen und Bewegungen, die nicht zu den institutionellen Kräften eines Staates gehören, soweit sie sich an das internationale Menschenrecht halten“. Deshalb könnten „gewalttätige und Guerilla-Aktivitäten nicht verfolgt werden, sofern sie nicht in unterscheidungslosen Terror gegen die Bevölkerung abgleiten“. Würde Italien aber „Guerilla-Akte verfolgen, die im Rahmen kriegerischer Konflikte erfolgen“, dann führe dies zur „ungerechtfertigten Parteinahme für eine Seite der sich bekämpfenden Kräfte“.

Für ein Urteil reiche auch nicht aus, dass die Täter sich in terrornahen Milieus bewegt hätten. Damit spielte die Richterin darauf an, dass laut BKA-Informationen der in Mailand angeklagte Marokkaner Mohammed Daki in Hamburg zum Umfeld Mohammed Attas gehört und den Terroristen Ramzi Binalshibh beherbergt haben soll.

Die Staatsanwaltschaft kündigte sofort Berufung an. Während führende Oppositionspolitiker keine Stellungnahmen abgaben, reagierte das Regierungslager heftig. Außenminister Gianfranco Fini äußerte „Zorn und Unglauben“ ob der Begründung, und der Minister für Verfassungsreformen Roberto Calderoli erklärte, ihm drehe sich der Magen um. Der rechte Parlamentsabgeordnete Enzo Fragalà befand, das Urteil sei „das Ergebnis der ideologischen Vergiftung, der einige Richter in Italien unterliegen“. MICHAEL BRAUN

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