„Die Blindgängerquote ist in jedem Fall zu hoch“

Die SPD-Abgeordnete Uta Zapf hält die Anwendung von Munition mit hoher Zündsicherheit für eine „befriedigende Lösung“

taz: Frau Zapf, unterstützen Sie die Forderung des EU-Parlaments nach einem Moratorium über Streumunition?

Uta Zapf: Ich persönlich plädiere für ein Moratorium, was die Anwendung von Streumunition angeht. Das ist aber weder mit der Regierung noch in meiner Fraktion diskutiert. Nach den Erfahrungen, die in Afghanistan und anderen Regionen gemacht wurden, müsste es aber eigentlich eine Mehrheit dafür geben – und zwar international.

Halten Sie ein Verbot von Streumunition in Deutschland für durchsetzbar?

Natürlich sind solche Prozesse sehr schwierig. Es gibt ja ein bisschen Streit zwischen denen, die die militärische Notwendigkeit dieser Munition behaupten und denjenigen, die sagen: Lasst die Finger davon, weil es zu viele Blindgänger gibt und damit Opfer unter der Zivilbevölkerung.

Wie schätzen Sie dieses Kräfteverhältnis ein?

Die Position der Bundesregierung ist im Moment die: In den Arsenalen der Bundeswehr gibt es nur solche Munition, die die technisch höchstmöglichen Sicherheitsanforderungen aufweist. Die Bundesregierung will sich dafür verwenden, dass international verbindliche Sicherheitsstandards eingeführt werden. Sie spricht in dem Zusammenhang von einer 99-prozentigen Sicherheit.

Aber das Verteidigungsministerium räumt ein, dass ein Großteil der Bestände keinen Selbstzerstörungsmechanismus hat.

Es wäre eine befriedigende Lösung, wenn nur noch die Munition mit hoher Zündsicherheit und Zerstörungsmechanismus angewendet würde. Es ist schwer, zu der Frage der Blindgänger belastbare Zahlen zu bekommen. Die, die ich kenne, schwanken zwischen 7 und über 30 Prozent. Das ist in jedem Fall zu hoch. Ob 99 Prozent technisch erreichbar sind, weiß ich nicht; das muss ich selbst erst noch recherchieren. Wenn eine solche Quote aber nicht zumindest annähernd geht, muss man überlegen, ob man nicht doch zu einem Prozess kommt, der radikaler die Abschaffung dieser Munition fordert.

Sehen Sie die Chance, dass Deutschland wie 1996 bei den Antipersonenminen international vorangehen könnte?

Zunächst muss ich herausfinden, ob es die Möglichkeit gibt, im Bundestag eine entsprechende Forderung einzubringen. Dazu müssen wir mit unserem Koalitionspartner sprechen, und ich bin immer glücklich, wenn es in Abrüstungsfragen eine noch breitere Mehrheit gibt. Und natürlich müssen wir erst einmal mit der Bundesregierung über dieses Thema reden.

Neben der Bundeswehr gibt es auch deutsche Waffenhersteller, die hier Interessen haben. Wo sehen Sie die größten Widerstände – in der Bundeswehr oder vonseiten der Wirtschaft?

Natürlich wird die Wirtschaft aufheulen. Aber ich sehe das als politischen Prozess. Die Wirtschaft stellt sich darauf ein, was in den Arsenalen der Bundeswehr gebraucht wird. Es gilt jetzt zu schauen, welche Alternativen es aus militärischer Sicht gibt, die die Zivilbevölkerung später nicht gefährden. Es kann gut sein, dass es auf einen Prozess hinausläuft, der Streubomben nicht grundsätzlich verbietet, sondern nur solche, deren Blindgänger sich nicht fast vollständig selbst zerstören. INTERVIEW: AJE