Die Wiederentdeckung der Langsamkeit im Kloster

Auch in Nordrhein-Westfalen bieten immer mehr Klöster interessierten Gästen die Möglichkeit, einige Tage am Klosteralltag teilzunehmen oder auch nur die Stille zu genießen. Nach Angaben des Erzbistums Köln ist die Nachfrage bereits größer als das Angebot

Wem der Alltagsstress über den Kopf wächst und wer sich nach Ruhe, Meditation und Langsamkeit sehnt, der könnte in einem Kloster genau richtig aufgehoben sein. Unter dem Motto „Atem holen – Stille, Nachdenken, Gemeinschaft im Kloster“ laden die Bundesverbände der deutschen Frauen- und Männerorden ein, dem Alltag zu entfliehen und ein paar Tage in die Welt der Nonnen und Mönche einzutauchen. In der gleichnamigen Brochüre finden sich Informationen zu den Angeboten vieler Klöster in ganz Deutschland.

Auch das Erzbistum Köln, zuletzt durch die heftig kritisierte Dreikönigspredigt von Kardinal Meissner vor allem in den Negativschlagzeilen, geht fortschrittliche Wege. So lädt das Zisterzienserkloster Langwarden Interessierte ein, am Klosterleben teilzunehmen: „Wir haben etwa 30 Einzelgäste pro Jahr, die sich bei uns eine Auszeit nehmen wollen“, erklärt Pater Bruno Robeck. Angesprochen werden sollen jedoch nicht nur Gläubige, sondern auch „Ruhe Suchende, die nicht unbedingt kirchlich gebunden sind“, so das Kloster.

Teilnehmen an den religiösen Abläufen des Klosterlebens muss niemand, wie die meisten Klöster ausdrücklich betonen. In manchen Fällen können die klösterlichen Gästehäuser ganz einfach als „Herberge“ für ein paar Nächte gebucht werden – wenn man auf der Durchreise ist oder aber auch als Urlaubsunterkunft. Zudem bieten viele Klöster an, die Räumlichkeiten für Tagungen und Veranstaltungen zu vermieten. Doch nach Absprache mit den Gemeinschaftsoberen ist es ebenso möglich, Anschluss an die klösterlichen Tagesabläufe zu finden, am Stundengebet teilzunehmen oder gemeinsam mit den Nonnen und Mönchen im Refektorium zu essen. Zudem besteht in vielen Ordenseinrichtungen die Möglichkeit, mit den Brüdern und Schwestern Gespräche und Meditationen über Grundfragen des Glaubens und der menschlichen Existenz zu führen. Viele Klöster sehen es zudem gerne, wenn Gäste, die länger bleiben, sich auch an der täglichen Arbeit im Klostergarten oder in der Küche beteiligen und auch auf diese Weise den Lebensalltag näher kennen lernen.

Doch die gewählte Form des Klosterurlaubs ist ebenso vielfältig wie die Motive für eine solche Auszeit. Stress in Beruf und Alltag können ebenso Gründe für einen Klosterurlaub sein, wie ein Trauerfall in der Familie, ein schwerer Schicksalsschlag oder auch einfach die Neugier an einem Leben, das vielen fremd und altmodisch erscheint. Denn wer sich – wenn auch nur befristet – für das Klosterleben entscheidet, muss einige Mitbringsel der modernen Zivilisation hinter sich lassen: Das Handy ist ebenso tabu wie Fernseher oder Radio.

Für die Ordensgemeinschaften bedeutet der „Klostertourismus“ eine neue Einnahmequelle, da traditionelle Erwerbsquellen wie die Landwirtschaft in vielen Klöstern nicht mehr ausreichen. Doch nicht alle Ordenseinrichtungen gehen so sehr in die Tourismusoffensive wie das Dominikanerinnen-Kloster Arenberg bei Koblenz. Dort hat man in den letzten Jahren 15 Millionen Euro investiert, um Teile der Gebäude zu einem Wellnessbereich umzubauen. Das Kloster sollte zu einer Ruhe-Oase werden, wo die Gäste Körper und Seele „in Einklang“ bringen können.

Zwar stößt die Verbindung aus Tourismus und Klosterleben nicht bei allen Ordensmitgliedern auf Begeisterung, doch der Trend scheint sich fortzusetzen. Auf der internationalen Tourismusbörse in Berlin werben immer mehr Klöster für ihre Angebote. JAS