Frust auf dem Uni-Campus

Auf den Sieg des Hamburger Senats im Streit um Studiengebühren reagieren viele Studenten mit Angst und Enttäuschung. Hochschulen in der Hansestadt sollen Maut ab 2006 erheben. Studentendemo in der Innenstadt. AStA erwartet neue Streiks

Von Eva Weikert

Die Stimmung im Philosophenturm der Uni war gedrückt. Als das Bundesverfassungsgericht gestern über das Studiengebührenverbot urteilte, verfolgten knapp hundert Hamburger Studierende den Richterspruch live auf der Großleinwand. Mit großer Enttäuschung reagierte die Menge, als das Gericht um kurz nach 10 Uhr das Abgabeverbot für nichtig erklärte. Denn Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) will die Studierenden zur Kasse bitten. „Das Urteil ist furchtbar“, meinte Pädagogikstudentin Lina Schulz, „jetzt wird das Studium nur noch was für Besserverdiener.“ Der AStA kündigte an, als Antwort auf den Karlsruher Spruch „massiven politischen Druck aufzubauen“.

Hamburg ist eins der sechs Länder, aufgrund deren Klage der Weg zum Bezahlstudium frei gemacht wurde. Aus Protest gegen die Maut hatten Studierende Banner vorbereitet, auf denen „Unser Fahrplan Widerstand“ und „Gleichheit statt Elite“ stand. „Gebühren sind scheiße“, sagte Studentin Johanna Fuhst, die das Urteil am Fernseher im Philosophenturm verfolgte. „Jetzt weiß ich nicht, ob ich zu Ende studieren kann.“ Ihre Eltern könnten nicht helfen, da sie vier Geschwister habe. „Ich werde mehr arbeiten müssen“, klagte Ethnologiestudentin Kerstin Fremder-Sauerbeck, „und brauche dann länger bis zum Examen.“ Schon heute würden „Bildungschancen vererbt“, geißelte AStA-Vorstand Stefan Kühn das Bezahlstudium: „Die Abgabe wird zu einem starken Rückgang der Studierendenzahlen führen.“

Vereinzelt gab es aber auch Befürworter der Maut. „Wenn das Geld direkt an die Uni geht und damit etwa mehr Tutorien eingerichtet werden, finde ich das gut“, lobte BWL-Student Franz Schirmer. Auch der CDU-Ableger im Studierendenparlament, der RCDS, ist mit dem Urteil „sehr zufrieden“, so Sprecher Karsten Hoffmann. „Die Studienbedingungen sind so schlecht, dass es so nicht weitergehen kann.“ Wichtig sei aber, die Maut sozialverträglich einzuführen.

Wie das Gebührenmodell für Hamburg aussieht, darüber will Senator Dräger heute informieren. Über die Entscheidung der Richter zeigte er sich gestern „äußerst zufrieden“. Seine Behörde wolle die Abgabe zum Winter 2006 einzuführen. Über ihre Höhe sollen die Hochschulen entscheiden, 500 Euro halte er aber für „realistisch“. Nächster Schritt müsse nun „ein sozial gerechtes Studienfinanzierungsmodell“ sein, so Dräger. Er hatte zuletzt „möglichst elternunabhängige Darlehen“ für alle Studierwilligen vorgeschlagen, ohne jedoch Kreditgeber vorweisen zu können.

Uni-Präsident Jürgen Lüthje nannte es ein „gravierendes Versäumnis der Politik, dass bislang kein Studienfinanzierungsmodell entwickelt wurde“. Die Karlsruher Entscheidung selbst halte er für „notwendig, sofern der Staat nicht bereit oder in der Lage ist, den Hochschulen aus Steuergeldern mehr Geld zufließen zu lassen“. Kritisch äußerte sich der Chef der ehemaligen Fachhochschule HAW, Michael Stawicki: „Aufgrund vieler internationaler Erfahrungen ist zu erwarten, dass sich der Staat weiter aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzieht.“ Somit würden die Gebühren den Landeshaushalten zugute kommen. Führe Dräger die Maut ein, müsse aber auch die HAW über das Bezahlstudium nachdenken.

Aus Protest gegen die Maut will die Uni-Vollversammlung zu Beginn des Sommersemesters über einen studentischen Streik abstimmen. Eine erste Demo führte rund 1.000 Studierende gestern Nachmittag zum Rathaus, wo sie in Sprechchören „Bildung für alle, und zwar umsonst“ forderten und für eine Großdemo mit Kommilitonen der Nachbarländer am 3. Februar in Hamburg mobilisierten.

Mitarbeit: Nicolai Schaaf

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