Das Grauen von Auschwitz

Zum 60. Jahrestag der Befreiung: Das taz-DOSSIER mit seltenen Bildern, die einen Tag im Vernichtungslager zeigen

Zwei Brüder stehen nebeneinander auf dem Bahnsteig. Sie sind neun und elf Jahre alt, tragen Wintermäntel, obwohl es schon Frühsommer ist, genau der 24. Mai 1944. Sie heißen Israel und Selig und kommen aus Bilke, einem Ort im damaligen Ungarn. Auf der Brust tragen sie einen großen gelben Stern. Der kleinere der beiden Jungen blickt dem SS-Mann, der sie fotografiert, finster in die Kamera. Stunden nach dieser Aufnahme sterben die beiden Kinder in der Gaskammer.

Nicht ganz ein Jahr später, heute vor sechzig Jahren, am 27. Januar 1945, erreicht die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz in Südpolen. Hinter dem Lagertor mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ eröffnet sich ihr ein Bild des Schreckens. Die russischen Soldaten stoßen auf 7.500 Häftlinge, allesamt bis auf die Knochen abgemagert und krank, aus ihren Augen blickt der Tod. Bald gehen Bilder aus Auschwitz um die Welt und erzählen von der Vernichtungsmaschinerie des deutschen NS-Staates. Über 1,1 Millionen Menschen, so wird heute geschätzt, starben allein hier, in dem größten von Hitlers Konzentrationslagern.

Wie die Vernichtung funktionierte, davon gibt es viele Berichte, aber nur wenige Bilder. Einige davon verdanken wir einer jungen Frau, die Auschwitz überlebte und zufällig im KZ Mittelbau-Dora in Thüringen ein Album mit Fotos der SS fand. Ihr Name ist Lili Jacob. Israel und Selig waren ihre Brüder. KAB

Jenseits der Epochenschwelle SEITE 3Das Auschwitz-Album SEITE 4 und 5Die Sonderkommando-Häftlinge: Das letzte Tabu in Auschwitz SEITE 12, 16

Fotohinweis: FOTO AUS „DAS AUSCHWITZ-ALBUM. DIE GESCHICHTE EINES TRANSPORTS“, WALLSTEIN VERLAG