Landtag gedenkt der Befreiung von Auschwitz

Israels ehemaliger Botschafter Avi Primor mahnt wie Landtagspräsident Ulrich Schmidt, den Millionen Opfern des nationalsozialistischen Massenmords zu gedenken: „Erlösung liegt in der Erinnerung“. Steinbrück: Bürger gefordert

DÜSSELDORF taz ■ Zum 60. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetische Rote Armee hat Nordrhein-Westfalens Landtag der Opfer des Massenmords gedacht. „Verdrängen hält die Erlösung auf, sich erinnern bringt sie näher“, zitierte Landtagspräsident Ulrich Schmidt das Leitmotiv der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Zwar trügen die Söhne und Töchter der Kriegsgeneration keine persönliche Schuld. „Aber wir können und wollen uns von der Geschichte nicht verabschieden, denn es ist unsere Verantwortung, dass wir nicht vergessen“, mahnte der Sozialdemokrat mit den Worten des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt. „Nachträglich mitschuldig“ werden könne, wer diese Verantwortung nicht erkenne.

Auch Avi Primor, langjähriger Botschafter Israels in Deutschland, betonte die Bedeutung des Gedenkens an die deutschen Verbrechen: „Die Erlösung liegt in der Erinnerung.“ Der Nationalsozialismus habe nichts hinterlassen – weder „literarische noch philosophische Errungenschaften“. Nur der Massenmord, der allein im größten Vernichtungslager Auschwitz durch Vergasung und Zwangsarbeit rund 1,5 Millionen Menschen das Leben kostete, bleibe zurück.

Er stelle aber fest, dass gerade in der jüngeren Generation nur eine Minderheit einen „Schlussstrich“ fordere, sagte Primor. Auch habe nur Deutschland „den Mut und die Demut“ besessen, „Mahnmäler zur Verewigung der eigenen Schande“ zu errichten, erinnerte der Diplomat an die Diskussion etwa um das Berliner Holocaust-Mahnmal.

Wie Landtagspräsident Schmidt forderte auch Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) alle Bürgerinnen und Bürger zu „entschiedenem Widerstand gegen die geistigen Erben der Massenmörder“ auf. Extremisten müssten mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden. „Wir dürfen niemals zulassen, dass vergessen, verschwiegen, verharmlost oder gar geleugnet wird“, wandte sich Steinbrück gegen Neonazis, die erst vor wenigen Tagen im sächsischen Landtag für einen Eklat gesorgt hatten. In NRW hätten Rechtsextreme aber keine Chance auf einen Sitz im Parlament, sagte Schmidt.

Alle vier Landtagsfraktionen bekräftigten mit einem einstimmig verabschiedeten Antrag, den jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. SPD, CDU, Grüne und FDP wandten sich damit indirekt auch gegen in Kreisen der Innenministerkonferenz diskutierte Bestrebungen, den Zuzug von Juden aus Osteuropa auf ein Minimum zu beschränken: „Es ist der Wille aller im Landtag vertretenen Fraktionen, weiterhin mit aller Anstrengung einen Beitrag dafür zu leisten, dass sich jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen entfalten kann“, heißt es in der Entschließung. Derzeit warten rund 25.000 Juden auf ihre bereits zugesagte Einreise, da Präzisierungen des Zuwanderungsgesetzes noch ausstehen. In NRW gibt es 19 jüdische Gemeinden. „Ohne Zuwanderung“, sagt Herbert Rubinstein, Geschäftsführer des jüdischen Landesverbands, „wären es noch vier oder fünf.“ ANDREAS WYPUTTA