Kultur im Suchscheinwerfer

Kurz vor der bundesweiten Entscheidung zur Kulturhauptstadt stemmt das Ruhrgebiet noch einen kulturellen Aufbruch. Durch drei Foren sollen Künstler der Region am Projekt beteiligt werden

AUS MÜLHEIMPETER ORTMANN

In vier Wochen entscheidet sich die Zukunft des Ruhrgebiets als Europäische Kulturhauptstadt. Gemeinsam mit der Stadt Essen zog der Regionalverband Ruhr (RVR) jetzt noch einen Joker aus der Tasche: Kurzfristig sollen auch Künstler der Region aktiv am Projekt Kulturhauptstadt beteiligt werden. Im Soziokulturellen Zentrum Ringlokschuppen in Mülheim an der Ruhr wurden deshalb gestern drei Foren vorgestellt, die das kreative Potenzial sichten und auswählen sollen. „Dafür gibt es ein qualitatives Suchraster“, sagt der Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt (SPD). Geld aus der Gießkanne gäbe es dafür allerdings nicht.

Die Prognosen für die Bewerbung scheinen momentan schlecht. Umfragen sehen Essen als stellvertretende Bewerberstadt für die Ruhrregion auf den hinteren Plätzen. Christa Thoben (CDU), weiterhin Interimsdirektorin beim RVR, steckt das locker weg. „So eine Bewerbung wird nicht über Internet-Foren gewonnen“, sagt sie. Das Revier müsse schließlich eine Jury überzeugen.

Diese Jury bereist die Region am 20. Februar, am 14. Februar findet in der Duisburger Gebläsehalle das letzte Forum „Stadt der Künste“ statt. Hier wird Matthias Lilienthal, der 2002 das Festival „Theater der Welt“ in NRW leitete und heute Chef des Berliner Hebbel-Theaters ist, über seine Erfahrung mit der zersplitterten Region referieren. Aber es bleibt danach nur wenig Zeit, den JurorInnen wenigstens einen Reader über die Ergebnisse aller Foren zukommen zu lassen. „Das ist locker zu schaffen.“ Scheytt bleibt in Mülheim optimistisch.

Erst auf Drängen der heimischen Kulturschaffenden wurde die Idee einer Beteiligung der Künstler aufgegriffen. Der Herner Fotograf Peter Liedtke hatte im Oktober des vergangenen Jahres im Archäologischen Zentrum zu einer Podiumsdiskussion aufgerufen, bei der die Idee der Foren geboren wurde. „Ich sehe in der Realisierung einen Erfolg“, sagt Liedtke der taz. Er war zur Vorstellung der Foren in Mülheim nicht einmal eingeladen worden. „Da wäre ich dann aber auch der Einzige gewesen, der nicht öffentlich eingebunden ist“, lacht er und wünscht sich konkrete Projekte, die auch dann weitergeführt werden, wenn das Ruhrgebiet nicht Kulturhauptstadt wird.

„Dann werden wir nicht alles realisieren können“, sagt Scheytt. Nur 48 Millionen Euro stünden für die Bewerbung bis 2010 zur Verfügung. Man wolle aber auch ohne den Titel „auf kleiner Flamme“ weitermachen. Die Fußball Weltmeisterschaft 2006 im Ruhrgebiet und die dritte RuhrTriennale könnten von den Ergebnissen der Foren profitieren. Sponsoren, in der Hauptsache die Ruhrkohle AG, wollten sich weiter engagieren.

Bereits in der nächsten Woche beginnt das Themenforum „Stadt der Möglichkeiten“. Hier soll geklärt werden, ob das Revier eine baukulturelle Ikone braucht oder nicht doch lieber die „feine Architektur der Einfamilienhäuser“ bei der Bewerbung zieht. Frauke Burgdorff vom Europäischen Haus der Stadtkultur in Gelsenkirchen ist in dieser Frage noch unsicher. Wichtig sei auch, wie die Besucher in Zukunft verkehrstechnisch in die Region strömen sollen. Architekten und Designer sollen ein ganz neues System dafür entwickeln. Ansonsten schwört Burgdorff auf ihr Klappfahrrad.

„Das Ruhrgebiet würde es ohne die Einwanderungsschübe nicht geben“. Holger Bergmann vom Ringlokschuppen leitet das interkulturelle Forum „Stadt der Kulturen“. Die Region sei sehr europäisch und schaffe mannigfaltige Möglichkeiten zum Kulturaustausch, so Bergmann. Das Forum wolle auch die sozialen Probleme verarbeiten. „Hier kam man nicht hin um Millionär zu werden“, sagt Bergmann. Die Migranten, deren Vorfahren einst mit dem Ford Transit angereist wären, stünden jetzt bei Opel vor dem Werkstor.