Eine Frage des Umfelds

Die Bahn will eine Ausstellung über Deportationen von Juden nicht zeigen und bekam deshalb offene Briefe

„Guten Tag, darf ich Ihnen etwas überreichen“, fragt eine junge Frau nachdem sie an eine Bürotür geklopft hatte. Überrascht antwortet der Angestellte der Deutschen Bahn AG (DB): „Ja, bitte“. An die 30 jugendliche Antifaschisten verteilen am Vormittag des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz einen „Offenen Brief“ in den Stockwerken des Verwaltungsgebäudes der DB in Hamburg-Altona. Zeitgleich finden in anderen Städten ähnliche Aktionen statt. Der Grund: Die DB weigert sich die Wanderausstellung „Jüdische Kinder aus Frankreich deportiert“ auf Bahnhöfen zuzulassen.

Zwischen 1942 und 1944 deportierten die deutschen Besatzer etwa 11.000 jüdische Kinder auf dem deutschen Schienennetz von Frankreich nach Auschwitz. Bei ihrer letzten Fahrt in Viehwaggons der Reichsbahn warfen sie Abschiedsbriefe auf die Gleise, einige wenige sind erhalten. Kaum ein Kind überlebte die Deportation. Bilder und Briefe der Opfer werden in der französischen Ausstellung der „Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs“ gezeigt. „Auf französischen Bahnhöfen stand die Ausstellung bereits“, erklärt die Repräsentantin des Vereins Beate Klarsfeld.

Umso unverständlicher für die Antifa-Gruppe, dass die DB die Ausstellung wegen „fehlender personeller und finanzieller Ressourcen“ nicht zeigen will. „Nicht nur deshalb“ hebt ein Pressesprecher der Hamburger DB hervor: „Wir befürchten das Umfeld eines Bahnhofs wird nicht der Würde der Opfer gerecht“. Auch der „Zentralrat der Juden“ sehe dies so, sagt er und betont, die Bahn nehme ihre Verantwortung mit der NS-Geschichte ernst: Ein Mahnmal stehe am Berliner Konzernsitz und in Nürnberg würde im DB-Museum an die Opfer erinnert. „Frau Klarsfeld wurde auch angeboten die Ausstellung dort zu zeigen“, so der Sprecher. Ein Aktionssprecher erläutert: „Beate Klarsfeld lehnte ab, weil dieser Präsentationsraum nur eine beschränkte Öffentlichkeit erreicht“. Der DB-Regionalbeauftragte von Schleswig-Holstein versichert indes noch mal „genau darüber nachzudenken“. Andreas Speit