FFH: Scherf meldet nicht

Bremen und Niedersachsen warten bei Meldungen von Weser- und Emsmündung als Naturschutzgebiete bei der EU auf ein juristisches Verfahren. CDU-Umweltsenator Eckhoff ist blamiert

von Kai Schöneberg

Bremen lässt zusammen mit Niedersachsen die letzte von der EU gesetzte Frist zur Meldung der Wesermündung als europäisches Schutzgebiet bis Ende Januar verstreichen. „Es ist nicht realistisch, dass wir das zum Monatsende schaffen“, sagte der Bremer Senatssprecher Klaus Schloesser zur taz. Bislang wollte sein Umweltressort die Wesermündung melden, um nicht Strafzahlungen der EU in Höhe von bis zu 790.000 Euro täglich zu riskieren. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatte darauf noch bei seinem Bremen-Besuch in dieser Woche hingewiesen.

Bremen wolle besser auf ein von der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengtes Verfahren gegen Frankreich warten, das die Mündungen von Gironde, Loire und Seine nicht als „Flora Fauna Habitat“ (FFH) gemeldet hat, sagte Schloesser. Das Gericht werde in den nächsten Monaten urteilen. Wichtig für Bremen seien „gutnachbarschaftliche Beziehungen zu Niedersachsen“. Das Land hatte wiederholt angekündigt, die Meldung von Weser- wie Emsmündung als FFH-Gebiete sei laut EU-Richtlinien unnötig. Jetzt schaut auch das niedersächsische Umweltressort zum EuGH: „Ein Urteil gegen Frankreich wäre ein Hinweis dafür, dass man sich die Meldung der Flussmündungen noch mal genauer anschauen muss“, sagt Sprecher Magnus Buhlert. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hatte die neue Linie vergangene Woche beim Staatsakt für die Flutopfer im Berliner Reichtag zusammen mit Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ausgekungelt.

Obwohl ihn die Niedersachsen-SPD bat, bloß nicht auf die Meinung der schwarz-gelben Landesregierung umzuschwenken, beglich Scherf mit seinem Schwenk lieber eine Rechnung mit Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU), der in den vergangenen Wochen nicht unwesentlich zum Wackeln der großen Koalition im Stadtstaat beigetragen hatte. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Meldung der Wesermündung aus naturschutzrechtlichen wie fachlichen Gründen dringend geboten ist, sonst drohen uns unkalkulierbare Sanktionen der EU“, heißt es dazu aus Eckhoffs Ressort.

Auch im Landtag in Hannover war gestern Bewegung beim Thema Flussmeldungen bei der SPD zu spüren. Bislang hatte die SPD die Landesregierung wegen nicht gemeldeter FFH-Gebiete attackiert. Gestern betonte Fraktionschef Sigmar Gabriel, es gehe darum, die Sicherung von Arbeitsplätzen in den umliegenden Werften mit den Forderungen von Naturschützern in Einklang zu bringen. Man dürfe „nicht verschweigen, dass es um diesen Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie geht“, sagte Gabriel. Die Meyer-Werft in Papenburg fürchtet, sie könne die Fahrrinne der Ems nur mit großem Bürokratie-Aufwand ausbaggern, wenn deren Mündung als FFH-Gebiet ausgewiesen wird. Die Grüne Dorothea Steiner ärgerte sich hingegen, es sei „vorsintflutlich“, wenn wieder „das alte Feindbild Arbeitsplätze gegen Umwelt ausgegraben“ wird.