Tat brutal, Vernehmung fatal

Harburger Misshandlungsprozess droht wegen Fehlern bei der Vernehmung zu platzen. Opfer versuchte sich durch Fenstersprung das Leben zu nehmen und erlitt Fehlgeburt

Es riecht nach Blamage: Weil zur richterlichen Vernehmung einer über Monate von ihrem Ehemann misshandelten Frau der Anwalt des Beschuldigten nicht hinzugezogen wurde, droht der Prozess gegen den mutmaßlichen Misshandler zu platzen. Denn die Frau, die von ihrem Mann geschlagen und später über Wochen in ihrer Wohnung eingesperrt gewesen sein soll, wurde mittlerweile in ihre mazedonische Heimat abgeschoben und ist für das Gericht kaum greifbar. Ob ihre in Abwesenheit des Beschuldigten-Anwalts gemachten Aussagen, die den Angeklagten schwer belasten, in das Verfahren eingeführt werden können, ist rechtlich zweifelhaft.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem ebenfalls aus Mazedonien stammenden Amir I. vor, seine Frau zwischen Februar 2003 und Januar 2004 mindestens acht mal mit einem Nudelholz, einem Werkstab und auch einem Gürtel auf Kopf und Beine geschlagen und so erheblich verletzt zu haben. Von Mitte Dezember 2003 bis zum Neujahrstag 2004 soll der 28-jährige Angeklagte die schwangere Frau zudem in der gemeinsamen Wilhelmsburger Wohnung eingesperrt haben.

Mit einem Sprung aus dem Fenster der im ersten Stock gelegenen Wohnung versuchte die Frau schließlich, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Dabei erlitt sie einen Beckenbruch und eine Fehlgeburt; musste, in akuter Lebensgefahr schwebend, intensivmedizinisch behandelt werden.

Weil er nicht von der richterlichen Vernehmung informiert wurde, verweigert der Anwalt des Angeklagten, Winfried Günemann, die Einführung der Opfers-Aussagen in das Verfahren. Sein Mandant schweigt sich derweil zu den Vorwürfen aus.

„Wir haben die richterliche Vernehmung bewusst in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt, da wir befürchten mussten, dass das Opfer sonst gar keine oder falsche Angaben macht“, weist Gerichtssprecherin Sabine Westphalen Spekulationen zurück, dem Gericht sei ein fataler Formfehler unterlaufen. Die Staatsanwaltschaft habe zudem keinen Pflichtverteidiger bestellt, der für seinen Mandanten an der Vernehmung hätte teilnehmen können. Der Grund: Die Bestellung hätte das Verfahren verzögert, die Ausländerbehörde aber drängte auf schnelle Abschiebung des Opfers.

Amtsrichter Rudolph kündigte an, nun zumindest noch die Aussage vom Vater des Opfers, der sich zurzeit ebenfalls in Mazedonien aufhält, beim Fortsetzungstermin hören zu wollen, der am 17. Februar stattfindet.

Auch ist es für das Harburger Gericht keineswegs klar, dass die Vernehmungsprotokolle nicht doch noch in die Hauptverhandlung eingeführt werden können. Denn ohne Opferaussage und Tatzeugen steht die Anklage auf wackligen Füßen. Der mutmaßliche Misshandler könnte aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Marco Carini