Dutschke verwandelt die CDU

Weil die PDS eine Dutschkestraße in Kreuzberg beantragt hat, will auch die CDU Straßen nur noch nach Frauen benennen. Die von der taz initiierte Umbenennung wird in vier Ausschüsse verwiesen

VON WALTRAUD SCHWAB

Rudi Dutschke wird gemeinhin als Revolutionär bezeichnet. Inwieweit er die Welt verändert hat, darüber streiten die Gelehrten. Dass er aber die CDU verändert hat, ist nun sicher. Am Mittwochabend verwandelte der 1979 an den Spätfolgen eines Attentats verstorbene Studentenführer die CDU in bekennende Frauenfreunde.

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg debattierte da bereits zum zweiten Mal über die von der taz angeregte Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße. Diese Debatte wird dem Gedenken eines 68ers sehr gerecht. Da vor jeder Revolution ausführlich debattiert werden muss, wurde der Antrag in gleich vier Ausschüsse verwiesen.

Beim ersten Mal – kurz vor Heiligabend, Dutschkes 25. Todestag – hatte die CDU eine Abstimmung über die von der PDS beantragte Straßenumbenennung formal blockiert. Diesmal trug sie gleich auf zweierlei Art zur Aufheiterung bei. Zum einen griff Lars Meissner die Idee von der Versöhnung zwischen den Generationen auf, für die Rudi Dutschke und der Verleger Axel Springer stehen. Die beiden würden sich als Straßennamen an der Ecke vor dem Springer-Hochhaus touchieren. Meissner meinte, dass diese Generationen, die es zu versöhnen gelte, nun aber alt seien, und schlug deshalb vor, ein Altersheim nach Dutschke zu benennen.

Dann beantragte die CDU per Dringlichkeit, dass bei „(Um-)Benennungen von Straßen, Wegen, Brücken etc. ausschließlich Frauen zu ehren“ seien, „bis im Bezirk ein angemessener Proporz männlicher und weiblicher Straßennamen etc. gegeben ist“. Diesen Beschluss gibt es zwar bereits, wenngleich im Original nicht von „angemessenem Proporz“ – was immer die CDU damit meint – die Rede ist. Meissner behauptet jedoch, niemand könne die Drucksache, unter der er abgelegt sei, finden.

Das stimmt zwar nicht, aber lustig ist es trotzdem. Denn bisher scheiterten alle Umbenennungsbegehren der CDU, die immer Männer betrafen, an diesem Beschluss. Nur die Axel-Springer-Straße kam vor ein paar Jahren zustande – weil der Senat dem Bezirk das Verfahren wegnahm und selbst entschied.

Der Streit um die Frauenquote entzweit aber auch die Fraktion der Grünen. Christine Hauser-Jabs kündigte an, dass sie deshalb nicht für die Umbenennung stimmen wolle, obwohl sie ein Fan von Dutschke sei. Die Grünen wollen Dutschke daher nicht nur als Verwaltungsakt behandeln. Sie wollen sich vielmehr um die Aufarbeitung seiner gesellschaftlichen Wirkung kümmern.

Vorerst aber müssen sich nun die vier BVV-Ausschüsse mit Dutschke befassen. Jener für Arbeit und Wirtschaft, jener für Umwelt und Verkehr, dann noch der Kultur- und der Haushaltsausschuss. Nur die PDS konnte sich für schnellere Umbenennung begeistern. Nun wächst die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende ein verwässerter Kompromiss leidenschaftslos Gestalt annimmt.

Der ursprüngliche PDS-Antrag fordert die Umbenennung der gesamten Kochstraße. Dass sich dafür vermutlich keine Mehrheit findet, war in den letzten vier Wochen bereits deutlich geworden. Ein Problem nämlich ist der Kostenfaktor, auf den Andy Hehmke (SPD) anspielte. In der jetzigen Vorlage müsste auch der U-Bahnhof Kochstraße umbenannt werden, und das koste eine sechsstellige Summe. Geld, das anderswo dringend gebraucht wird. Die SPD sei für eine Dutschkestraße im Bezirk, aber so was könne nur mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort entschieden werden.

Eines hat die taz-Initiative bisher auf jeden Fall gezeigt: Der simple Antrag, die Kochstraße umzubenennen, hat mehr zur Auseinandersetzung mit Dutschke, der Studentenbewegung und dem, was die Aufbrüche der 68er an Richtigem und Falschem gebracht haben, bewirkt, als es jede Feierstunde zu einem Jubiläum zuwege bringen kann. Plötzlich nämlich wirft, was vorher nur als Vergangenheit wahrgenommen wurde, in veränderter Form Licht auf die Gegenwart und macht deutlich, dass sich Meinungen im Laufe der Jahre ändern. Einst harte Kontroversen sind heute keine mehr. Und Wortgefechte ersetzen nun Barrikaden.