Der Weg des illegalen Fleisches

AMAZONASRINDER Ein neuer Greenpeace-Report zeigt auf, wer von der illegalen Zucht von Millionen Rindern in Brasilien profitiert – und nennt die Namen: von Aldi über Adidas bis BMW

Bis 2018 strebt die brasilianische Regierung eine Steigerung der Rindfleischexporte um 93 Prozent an

AUS PORTO ALLEGRE GERHARD DILGER

Die Viehzucht am Amazonas ist einer der größten Klimakiller weltweit, weil sie meist auf illegal gerodetem Land stattfindet. Die Verantwortlichen dafür sitzen allerdings nicht nur in Brasilien, sondern auch in den Vorstandsetagen westlicher Großkonzerne. Druck von VerbraucherInnen könnte den Urwaldvernichtern Grenzen setzen.

So lautet die Quintessenz des 136-Seiten-Reports mit dem Titel „Wie Amazonien abgeschlachtet wird“, den Greenpeace zum Beginn der internationalen Klimagespräche in Bonn vorgestellt hat. Die dreijährige Recherche der Umweltaktivisten hat sich gelohnt: So detailliert sind die Wege der Rinder von den Amazonasfarmen bis zu den Verbrauchern auf den Weltmärkten wohl noch nie dargestellt worden. Laut Greenpeace kaufen europäische Supermarktketten Rindfleisch aus Amazonien, das von „illegalen“ Farmen stammt, darunter Aldi und Lidl. Bei der Fabrikation von Ledersitzen für Autos durch die US-Firma Ottawa Eagle, einem Zulieferer von BMW, komme Leder von Amazonasrindern zum Einsatz, ebenso bei der Sportschuhproduktion für große Markenfirmen wie Adidas, Reebok oder Nike in Asien. Seifen, Zahnpasta und Gesichtscremes enthalten Rinderfett, Gelatine wird bei der Herstellung von Jogurts und Süßigkeiten verwendet. „Kriminelle oder schmutzige Rinderbestände werden über die Lieferketten an einen ahnungslosen Weltmarkt gewaschen“, heißt es in dem Report. In den sieben Amazonas-Bundesstaaten weidet bereits ein Drittel der rund 200 Millionen brasilianischen Rinder – und der Anteil steigt: Im vergangenen Jahrzehnt nahm der Viehbestand in Brasilien um 24 Prozent zu, in Amazonien jedoch um 72 Prozent. Ein Fünftel des Regenwaldes wurde in den vergangenen 30 Jahren meist gesetzwidrig vernichtet; 80 Prozent dieser Fläche wird für die Viehzucht genutzt. Die Urwaldzerstörung macht Brasilien zum weltweit viertgrößten Emittenten von Treibhausgasen.

Auf vielen Farmen, die die großen Schlachthäuser und Gerbereien der brasilianischen Rindfleischmultis beliefern, sind zudem sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse gang und gäbe: Allein im vergangenen Jahr befreiten engagierte Staatsanwälte und Polizisten rund 1.600 moderne Sklaven. Zwar wird der größte Teil des Fleisches aus Amazonien im dicht besiedelten Südosten Brasiliens konsumiert, doch die steigenden Rindfleisch- und Lederexporte im Wert von 5,1 bzw. 1,9 Milliarden Dollar (2008) bedeuten zusätzlichen Druck auf den Regenwald.

Bis 2018 strebt die Regierung in Brasilia eine Steigerung der Rindfleischexporte um 93 Prozent an – und hilft dabei tatkräftig mit: Für das laufende Erntejahr stellte sie für das Agrobusiness Kreditlinien in Höhe von umgerechnet 12 Milliarden Euro bereit. Seit 2007 pumpte sie über die staatliche Entwicklungsbank BNDES 2,7 Milliarden Dollar in große Exportfirmen und sichert sich im Gegenzug Aktienanteile.

Aber auch die Weltbank-Tochter IFC gibt günstige Kredite – Marktführer Bertin erhielt 2007 ein 90-Millionen-Dollar-Darlehen. Ein Jahr später verhängte die Umweltbehörde Ibama wegen der Verwendung von illegalem Tropenholz für seine Produktion eine Strafe in Millionenhöhe gegen Bertin.

Bei dem Multi, der neben Rindfleisch und Leder auch Hundefutter exportiert, hält der Staat bereits 27 Prozent der Aktien, bei Marfrig, dem weltweit viertgrößten Rindfleischproduzenten, 15 Prozent. Vom Marfrig-Schlachthof im Amazonas-Bundesstaat Mato Grosso wird das Fleisch an eine Fabrik in Südbrasilien geliefert und dort für den Export in die USA und nach Europa weiterverarbeitet. Man kaufe nur Fleisch von Farmen, die nicht auf der schwarzen Liste der Regierung stehen, versicherten Sprecher von Bertin und Marfrig.

Mit der Rinderkampagne strebt Greenpeace nicht nur ein Umdenken bei den Verbrauchern an, sondern auch bei Politikern und Unternehmern in Brasilien. Vorbild ist das sogenannte Sojamoratorium aus dem Jahr 2006. Darin verpflichten sich brasilianische Exporteure freiwillig dazu, kein Soja zu vermarkten, das auf gesetzwidrig zerstörten Urwaldflächen angebaut wurde.