INTERNIERUNG IN GROSSBRITANNIEN: NEUES GESETZ SO SCHLECHT WIE ALTES
: Gleiches Unrecht für alle

Wenn es ungesetzlich ist, ausländische Bürger ohne Anklage einzusperren, dann muss man das Gesetz eben auf einheimische Bürger ausdehnen. Das ist die Konsequenz, die der britische Innenminister Charles Clarke aus dem Urteil der Lordrichter gezogen hat. Die hatten Ende vorigen Jahres erklärt, dass die unbegrenzte Internierung von Ausländern eine schwere Verletzung der Menschenrechte sei. Premierminister Tony Blair erklärte damals, man werde das Urteil wohl ignorieren. Wenigstens das hat Clarke nicht getan.

Was aber setzt er an die Stelle des diskreditierten Gesetzes? Ein neues, das genauso wenig mit den Menschenrechten kompatibel ist. Das Urteil der Lordrichter bezog sich nicht allein auf die Tatsache, dass nur Ausländer von der Internierung betroffen sind. Das Gesetz stelle die Existenz eine der ältesten Freiheiten in Frage: den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Internierung. Den bietet Clarkes geplantes Gesetz auch nicht. Es ist dabei nebensächlich, dass die Betroffenen nicht ins Gefängnis müssen, sondern in ihren eigenen vier Wänden unter Arrest gestellt werden sollen. Zwar ist das sicher angenehmer, aber es ist und bleibt Internierung ohne Anklage.

Besonders skandalös am alten wie am neuen Gesetz ist die Tatsache, dass das Wort des Innenministers ausreicht, um Menschen die Freiheit zu nehmen. Darüber hinaus erfahren weder die Betroffenen noch deren Anwälte, was ihnen eigentlich zur Last gelegt wird – vom Zeitraum, für den die Internierung gelten soll, ganz zu schweigen. Die britische Regierung hat nichts aus ihrer verfehlten Nordirlandpolitik gelernt. Dort gab es Anfang der Siebzigerjahre ebenfalls Internierungen ohne Anklage, was der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) starken Zulauf bescherte. Clarke führt diese Politik nun durch die Hintertür wieder ein: Nordirische Gegner des Friedensprozesses, englische militante Tierschützer, walisische Nationalisten, mutmaßliche ausländische Terroristen – alle können nach Gutdünken weggesperrt werden, wenn es nach Clarke geht. Gleiches Unrecht für alle, so lautet die Devise. RALF SOTSCHECK