EIN WANDEL DER INTERNATIONALEN FINANZPOLITIK IST SO NAH WIE NIE
: Neue Töne aus Davos

Man kommt ganz durcheinander: Der französische Staatspräsident Jacques Chirac setzt sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos für eine neue internationale Steuer auf Devisentransaktionen ein. Die „Tobinsteuer“ hatten einst die linken Globalisierungskritiker von Attac auf die Tagesordnung gesetzt. Um die großen UNO-Ziele – Halbierung der Armut bis 2015 und Zurückdrängung von Aids – noch erreichen zu können, sei mehr Geld notwendig, so Chirac. Die Fensterrede eines notorischen Konservativen oder eine ernst zu nehmende Initiative?

Eher das Zweite. Chirac arbeitet an seinem guten Ruf, indem er sich von US-Präsident George Bush absetzt, der international wegen des Irakkrieges kritisiert wird. Ähnliches gilt für den britischen Premier Tony Blair, der ebenso neue Methoden fordert, um Entwicklung zu finanzieren. Blair ist zwar der engste Bush-Verbündete im Irak, will aber die britischen Parlamentswahlen gewinnen, die vermutlich am 4. Mai stattfinden. Da ist der Einsatz für weltweite Gerechtigkeit ein Mittel, um Krieg und Folter in den Hintergrund zu drängen. Die Initiativen kommen nicht aus dem hohlen Bauch. So basiert Chiracs Vorstoß auf dem so genannten Landau-Report der französischen Regierung vom Spätsommer 2004. Mit detaillierten Vorschlägen für internationale Steuern war Frankreich damals in die UNO gezogen und hatte dort die grundsätzliche Unterstützung von mehr als 100 Staaten erhalten. Eine derart große – wenn auch bislang theoretische – Unterstützung für eine radikale Wende der internationalen Finanzpolitik hat es noch nie gegeben.

Nun wird es Zeit, dass sich auch die Bundesregierung bewegt. Großes entwicklungspolitisches Engagement ist gerade bei Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nicht zu spüren. Geht es um internationale Steuern, hat er bislang abgewunken oder Ausflüchte gesucht. Gestern nun ließ das Finanzministerium „prinzipielle Sympathie“ für Chiracs Idee erkennen – eine Reaktion auf die sich ändernde internationale Lage. Wenn Rot-Grün beim kommenden G-7-Gipfel der Industrienationen nicht als Bremser dastehen will, reicht das verbale Zugeständnis aber nicht. HANNES KOCH