Antiterror für alle

Großbritannien schafft Internierung terrorverdächtiger Ausländer ab. Dafür gilt schärfere Kontrolle auch für Briten

DUBLIN taz ■ Der britische Innenminister Charles Clarke hat neue Antiterrorismusgesetze angekündigt. Sie sollen die bisherigen Maßnahmen ersetzen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Eilverfahren eingeführt worden waren und vorigen Monat von den Obersten Richtern für menschenrechtswidrig erklärt worden waren. Clarke beugte sich nun diesem Urteil, auch wenn nach britischem Recht Entscheidungen des Parlaments Vorrang vor Gerichtsurteilen haben.

Die alten Gesetze ermöglichten es, Ausländer in Großbritannien ohne Anklage oder Beweise zu internieren, wenn der Innenminister davon überzeugt war, dass sie eine terroristische Bedrohung darstellten. „Ein Regime, unter dem Verdächtige aufgrund des Wortes eines Innenministers unbegrenzt festgehalten werden können, ist Stoff für Albträume“, hatte Lordrichter Scott dazu gesagt. Die neuen „Kontrollmechanismen“, wie Clarke sein Gesetz nennt, schaffen nun die unbegrenzte Internierung ohne Anklage ab. Stattdessen darf der Innenminister abendliche Ausgehverbote, elektronische Überwachung und Hausarrest verhängen. Außerdem kann er den Betroffenen den Zugang zum Telefon oder dem Internet sperren und ihnen den Kontakt zu bestimmten Personen verbieten. Das Besondere: Diese Maßnahmen sollen für Ausländer und Briten gelten.

„Das ist die größte Ausweitung der Macht des Staates über die Bürger seit 300 Jahren“, schimpfte der Labour-Abgeordnete Robert Marshall-Andrews. Shami Chakrabarti von der Bürgerrechtsorganisation Liberty begrüßte zwar, dass Clarke auf das Urteil der Lordrichter reagiert hat, fügte jedoch hinzu: „Vorübergehende Einschränkungen der Freiheit sind nur dann legitim, wenn eine Anklage und ein Gerichtsprozess in Aussicht stehen. Die Regierung darf nicht eine Menschenrechtsverletzung gegen eine andere austauschen.“

Kate Allen, die britische Direktorin der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international, sagte: „Die Regierung umgeht nach wie vor die Gerichte. Sie hält Menschen weiterhin aufgrund geheimer Beweise fest. Die Menschen werden nun lediglich in ihren Häusern statt in Belmarsh eingesperrt.“

In diesem Hochsicherheitsgefängnis sitzen noch immer zwölf Muslime ein, darunter Abu Qatada, den die britische Regierung für „Ussama Bin Ladens spirituellen Botschafter in Europa“ hält. Die Gefangenen bleiben in Belmarsh, sagte Clarke, bis die neuen Gesetze in Kraft sind, da „diese Leute noch immer eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen“. RALF SOTSCHECK

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