Dunkeldeutschland für sichere Rendite

Die großen Energiekonzerne drohen mit geringeren Investitionen ins Stromnetz, falls das Energiewirtschaftsgesetz die Gewinne schmälert. Das Ministerium will für eine Entlastung der Industrie lieber die Verbraucher belasten

Die großen Energiekonzerne erhöhen den Druck auf die Bundesregierung. In einem nach einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) verfassten internen Grundsatzpapier drohen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, dass die Erneuerung und Modernisierung des Stromnetzes zur Disposition stehe, wenn die vom Kapitalmarkt geforderten Renditen nicht erreicht würden. Stromausfälle werden also in Kauf genommen, um den Gewinn zu sichern.

Hintergrund der Drohgebärde sind die derzeit laufenden Verhandlungen zum neuen Energiewirtschaftsgesetz. Die Industrie fürchtet wirtschaftliche Nachteile – unter anderem bei Abschreibungsmöglichkeiten und den Gebühren, die für die Durchleitung des Stroms durch die Netze erhoben werden. Die geplanten Erhöhungen dieser Gebühren auch für Privatkunden hatten im vergangenen Herbst für mächtigen politischen Wirbel gesorgt. Das Gespräch im November, auf das sich das Papier der Konzerne bezieht, war Folge der Debatten.

Nach Angaben von Aribert Peters vom Bundesverband der Energieverbraucher hatten die Konzerne damals auch gefordert, dass eine Senkung der Durchleitungsgebühren für energieintensive Betriebe nicht zu ihren Lasten gehen dürfe. Nach einem erneuten Krisengespräch am vergangenen Freitag sprach sich Minister Clement noch einmal öffentlich für eine Entlastung von Aluminumhütten und anderen Vielverbrauchern aus. Diese arbeiteten wirtschaftlich „am Anschlag“, sagte Clement. Deshalb soll die geplante Regulierungsbehörde für Gas und Strom nun dafür sorgen, dass Betriebe aus diesen Branchen nur noch die Hälfte der Durchleitungsgebühren zahlen. Das entstehende Finanzloch soll offenbar mit einer Umlage durch alle Stromkunden wieder gefüllt werden.

Doch Clements Pläne werden innerhalb der Koalition nicht widerspruchslos hingenommen. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die Härtefallregelungen „nicht sehr gewaltig“ ausfallen würden. Und die Grünen-Energieexpertin Michaele Hustedt sieht einen Konflikt mit der EU programmiert, sollten Clements Pläne Wirklichkeit werden.

Laut Peters investierten die Konzerne von den gestiegenen Netznutzungsentgelten in Höhe von rund 18 Milliarden Euro jährlich nur 2 Milliarden ins Netz. Die Verbraucher zahlten also heute schon mehr für die Netze und bekämen dafür weniger Sicherheit. Und bislang sehe auch der neue Gesetzentwurf vor, dass die Energiekonzerne nicht für Stromausfälle haften müssen. Peters fordert, dass die Versorgungsqualität im Gesetz klar definiert wird und die Netzbetreiber zu deren Einhaltung verpflichtet werden.

STEPHAN KOSCH

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