… DER ÜBLICHE BERLIN-BESUCHER?
: Rennt wie verrückt ins Museum

Fangen wir mal mit den sogenannten Polskis an: Unsere lieben Nachbarn in nur 60 Kilometer Entfernung – die Polen – besuchen uns leider kaum und schon gar nicht Berliner Museen und Musiktheater. Ganze vier Prozent kommen als Touristen einmal pro Jahr herüber, und niemand weiß genau, woran das Minusergebnis liegt. Nicht anders verhält es sich mit den Türken, die ja en masse Grund genug hätten, die Stadt an der Spree und ihre Kulturschätze zu besuchen. Auch hier liegt die Zahl bei Museums- und Theaterbesuchern unterirdisch unten. Berlin ist für sie touristische Terra incognita.

Für alle anderen Völker ist Berlin millionenfach eine Reise wert. Und für den Großteil der Berlin-BesucherInnen ist einer Umfrage zufolge die städtische Kultur das wichtigste Reisemotiv. Rund 72 Prozent der Besucher in den Museen sind Touristen, bei den Bühnen sind es knapp 40 Prozent. Die meisten ausländischen Museumsfans kommen aus England (rund 10 Prozent), gefolgt von den Niederlanden, den USA und Frankreich. Bei den Bühnenbesuchern sind die „Brits“ ebenfalls Spitze.

Der Kulturtourismus ist „der Wachstumsbereich der Stadt“, meint darum auch Kulturstaatssekretär André Schmitz, als er am Mittwoch die ersten Ergebnisse des auf drei Jahre angelegten Pilotprojekts „Kulmon“ vorstellte. Dabei werden bis November 2011 in sieben großen Berliner Museen, den drei Opernbühnen und im Friedrichstadtpalast jährlich jeweils 2.400 Besucher befragt. Der Veranstalter von Kulmon, die Berliner Tourismus Marketing GmbH (BTM), schreckt dabei vor nichts zurück: Kontrollfreakmäßig wird der Besucher unter anderem nach Herkunft und Alter, Informationsverhalten und Ticketerwerb sowie nach der Motivation, die Hauptstadt zu besuchen, abgeklopft. „Ich gehe davon aus, dass die Museen und Bühnen durch solche Befragungen die Erwartungen und Verhaltensweisen ihrer Besucher aus dem In- und Ausland besser kennen lernen und ihr Marketing entsprechend gestalten können“, sagt Schmitz locker. Burkhard Kieker, Chef der BTM, sieht es ebenso: Wenn Museen und Bühnen bei Gästen so ausgesprochen beliebt sind, sollten sie sich auch deren Wünschen anpassen. Servicemäßig, nicht programmmäßig, versteht sich. Oder?

Wenn das Hauptmotiv für den Hauptstadtbesuch Ausstellungen oder Inszenierungen sind, stellt sich die Frage: Was macht der übliche Berlintourist sonst noch hier? Zwei bis vier Tage hält sich die Touri-Spezies durchschnittlich in der Stadt auf, hat Kieker rausgekriegt. Dabei gehen rund 100 Minuten täglich fürs Museum drauf. Danach sind wohl erst der Mauerstreifen, dann ’ne Eckkneipe oder der unvermeidliche Ku’damm dran. Schon weil es bei Bolle die Sperrstunde nicht gibt, steht Berlin bei Reiseveranstaltern ganz oben auf dem Schirm. ROLA Foto: ap