Reif für Insolvenzverwalter

„Teile eines angeschlagenen Unternehmens sind häufig noch zu retten“, sagt eine Fachanwältin für Insolvenzen. Ein Stadtstaat sei nicht wie ein Unternehmen zu beurteilen. Die taz fragte trotzdem nach Parallelen zwischen Wirtschaft und Politik

Stefanie Lüthje ist Insolvenzverwalterin in der Kanzlei Oelbermann und Partner in Bremen. Seit 1991 beschäftigt sich die 44-Jährige mit maroden Wirtschaftsbetrieben, seit 2001 ist sie Fachanwältin für Insolvenzrecht. An die 100 Unternehmen hat sie in dieser Zeit schon betreut. Die taz befragte sie, wie sich ein Insolvenzverwalter mit dem Land Bremen befassen würde, wenn es ein Unternehmen wäre.

Frau Lüthje, der „Konzern Bremen“ hat rund 11,6 Milliarden Euro Schulden, das Defizit wird auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Ein Fall für die Insolvenzverwalterin?

Stefanie Lüthje: Dies ist eine schwierige Frage, vor allem, wenn man die Vermögensverhältnisse nicht genau kennt. Gerade für ein Bundesland gelten andere Regeln als für einen Betrieb. Bei Unternehmen gibt es zwei generelle Gründe für eine Insolvenz: Überschuldung und die Zahlungsunfähigkeit eines Betriebes. Auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit kann schon ausreichen.

Darauf deutet ja im Konzern Bremen so manches hin. Wie gehen Sie denn generell an eine Insolvenz heran?Es geht darum, sich schnell einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse zu schaffen. Es müssen Voraussetzungen dafür vorliegen, den Betrieb fortzuführen und in Teilen zu erhalten. Das versuche ich zu prüfen. Dazu gehören selbstverständlich Gespräche mit der Unternehmensführung und den Beschäftigten. Denn es ist das wichtigste Ziel, die Arbeitsplätze zu erhalten.

Außerdem prüfe ich Geschäftsunterlagen und Bilanzen. Wenn der betriebliche Ablauf gesund ist, gibt es gute Chancen für einen Neubeginn.

Wie sieht das dann konkret aus?Insolvenz ist eine Möglichkeit der Entschuldung. Es bedeutet, dass man sich von unrentablen Teilen des Unternehmens trennen kann. Dabei wird besonders in defizitäre Bereiche geschaut, um Möglichkeiten zu finden, diese zu sanieren. Selbstverständlich ist dabei zu bedenken, dass man für die Beschäftigten des Unternehmens sozial verträgliche Lösungen finden muss.

Wie wäre das für ein Land?

Das kann man nicht eins zu eins übertragen. Aber in schwierigen Situationen muss sich das Land fragen, was es gut kann, wo Geld verdient werden kann. Hier ist der Staat aber wirklich nicht mit einem Betrieb zu vergleichen. Denn das Land Bremen hat ja auch soziale Aufgaben, von denen es sich nicht verabschieden kann.

Gibt es in der Sprache der Insolvenzverwalter denn überhaupt den Begriff des „kaputt sparens“?

Nein, das gibt es nicht.

Wie genau prüfen Sie in einem Insolvenzfall, was falsch gelaufen ist?Sehr genau. Wenn ich es auf das Beispiel Bremen übertragen würde, könnte man etwa prüfen, ob Grundstücke unter Wert verkauft worden sind. Falls das der Fall sein sollte, könnte man den Verkauf insolvenzrechtlich anfechten.

Was würde man in einem solchen Fall mit dem Führungspersonal eines Unternehmens wie Bremen machen?Diese Frage ist mir dann doch zu politisch.

Muss man nicht sagen: Eine Unternehmensführung, die nach zehn Jahren und 8,5 Milliarden Sanierungshilfe aus fremden Kassen immer noch einen verschuldeten Betrieb führt, ist am Ende?Das würde ich nicht generell sagen. Nur weil es zehn Jahre nicht geklappt hat, deutet dies nicht darauf hin, dass es in einem Unternehmen nicht doch noch genügend Ertragspotenziale gibt und entsprechende Sanierungsmöglichkeiten bestehen.

Das Land Bremen hat kaum Rücklagen. Wie ist das bei Betrieben, die Sie betreuen?

Wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet, dann ist dort meist alles an Rücklagen oder stillen Reserven aufgezehrt.

Gehen denn Insolvenzen auch manchmal ohne Entlassungen aus?

Das ist leider in den seltensten Fällen so.

Wie würden Sie darauf reagieren wenn eine Unternehmensführung mit 500 Millionen Euro Unterstützung von außen kalkuliert, die vielleicht niemals eintreffen?Wenn es keine gesicherte Rechtsposition gibt, wie in dem Kanzlerbrief, auf den Sie vermutlich anspielen, dann kann ich das für die Finanzen des Unternehmens nicht berücksichtigen. Das ist viel zu vage, genauso wie Ankündigungen von Unternehmen, die sagen, sie würden in ein paar Jahren auf jeden Fall Gewinn erwirtschaften. Das sind für einen Insolvenzverwalter keine verlässlichen Größen.

Wann wäre denn ein Unternehmen bereit zu einer Fusion?So würde ich das nicht formulieren. Es ist möglich, lukrative Teile des Betriebes zu veräußern, nur das ist attraktiv für andere Unternehmen. So fern Sie diesen Vergleich anstellen wollen, würde natürlich Niedersachsen als größerer Betrieb auch immer nur schauen, dass es die guten Stücke des „Bremer Kuchens“ abbekommt.

Gibt es denn überhaupt Möglichkeiten für ein so großes „Unternehmen“ wie das Land Bremen, eine vernünftige Sanierung hinzubekommen?Grundsätzlich ja. Aus der Sicht der Insolvenzverwalterin ist es häufig möglich, Teile des Betriebes noch zu sanieren.