„Nicht entzückt über Bremen“

Bremen sollte Anschluss an das „Schlusslicht“ Schleswig-Holstein gewinnen. Das war das Ziel der Sanierungshilfe 1992. Weder Bremen noch das Saarland haben das geschafft. Was nun? Das fragten wir Ralf Stegner, den Finanzminister aus Kiel

taz: Die Sanierungspolitik in Bremen hat ihr Ziel nicht erreicht. Gibt es im Kreise der Finanzminister Vorstellungen, was jetzt passieren kann?

Ralf Stegner, Finanzminister Schleswig-Holstein: Vor allem dürfen nicht mehr Länder in die Haushaltsnotlage geraten. Das Saarland und Bremen sind da, Berlin bewirbt sich quasi um den Abstiegsplatz, und wir sind auch ein Land mit großen Schwierigkeiten. Wenn wir keine Strukturreformen bei der Finanzausstattung bekommen, dann werden weitere Länder in die gleiche Lage geraten. Deswegen teile ich die Einschätzung meines Hamburger Kollegen Peiner, der gesagt hat, die Steuerquote ist zu niedrig, die öffentlichen Haushalte sind unterfinanziert. Einen Weg, der da herausführt auf der Basis eigener Anstrengungen, ist nicht absehbar.

Bremen ist nicht Schuld, sagt man in Bremen. Jedes Jahr wurde ein Sanierungsbericht dem Finanzplanungsrat in Berlin vorgelegt, diese Berichte sind dort positiv zur Kenntnis genommen. Die Bremer Sanierungspolitik wurde damit Jahr für Jahr gebilligt.

Na ja, so wird man das nicht bewerten können. Man geht im Finanzplanungsrat diplomatisch und freundlich um mit den Berichten, die aus den Ländern kommen. Sicherlich nimmt man die Bremer Anstrengungen zur Kenntnis, aber darüber gibt es da keine Diskussion. Man kann in dieser Form nicht sagen, dass das im Einzelnen gebilligt worden ist.

Den Grundkurs, dass investiert wird, hat man nicht kritisiert. Aber dennoch muss man feststellen, dass die Hoffnungen nicht eingetroffen sind. Als das losging in Bremen mit der Hilfe, hatten wir eine andere Lage. Jetzt haben wir drei Jahre Stagnation hinter uns, überall sind die öffentlichen Haushalte in einem verheerenden Zustand. Das hat zwei Effekte: Auf die ganz kleinen Länder wird nicht so scharf geguckt, wenn auch die anderen Schwierigkeiten haben. Und zweitens ist die Gelassenheit, mit der früher die Lage betrachtet wurde, nicht mehr da. Das trifft dann die Länder mit den schlechtesten Voraussetzungen umso härter. Dann wird wieder die Föderalismus-Diskussion um den Bestand der Bundesländer kommen.

Der Länderfinanzausgleich ist bis zum Jahre 2019 vom Bundestag gesetzlich geregelt. Wird es da vorher Korrekturen geben?

Es war schwierig, diese Einigung hinzubekommen. Die Mehrheit, die dafür gesorgt hat, dass es so gekommen ist, hat kein Interesse, das Thema noch einmal aufzurollen. Denn es kann ja nur schlechter werden für sie.

Da gibt es keine Solidarität mit Bremen?

So wie Bremen sich verhalten hat in der Föderalismuskommission, auf dem bayerischen Schoß, immer in der Hoffnung es gibt den Kanzlerbrief, also nicht die Position des keinen Bremen und der kleinen Länder oder den Nordens vertreten hat, sondern im Grunde genommen die bayerischen Positionen mit vertreten hat – das war ein Teil der Probleme, die die A-Seite (der SPD-Finanzminister, d. Red.) in der Föderalismuskommission hatte. Das macht es ein bisschen schwierig, was den Umgang angeht mit den Bremer Verhältnissen. Die A-Länder sind darüber nicht entzückt.

Wenn keine Umverteilung zwischen den Ländern stattfindet, müsste es Steuererhöhungen geben.

So würde ich das nicht sagen. Im Konzept der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung fordern wir keine Steuererhöhung per Saldo. Aber wir fordern andere Anreize, um der Grundprobleme Herr zu werden. Was in jedem Fall ausscheidet, sind alle Steuerkonzepte von CDU, CSU und FDP, die zu massiven Steuermindereinnahmen führen würden. Das Steuersystem muss Beiträge dazu leisten, die Wachstumskräfte zu stärken, und wir müssen die Fehlsteuerungen, die wir in manchen Bereichen haben, korrigiert. Wir müssen vermeiden, dass wir unseren Nachfahren nur Schulden hinterlassen und wir müssen andererseits vermeiden, dass wir an den Bereichen sparen, an denen unsere Zukunft hängt. Wir müssen alles vermeiden, was die kleinen Länder zu Übernahmekandidaten machen würde, weil sie überhaupt keine Chance mehr haben. Meine Hoffnung ist, dass wir da Bundesgenossen finden, weil ja alle die gleichen Probleme haben.

Als letzte Rettung wird in Bremen der Gang zum Verfassungsgericht gefordert. Nun hat der Präsident des Verfassungsgerichtes mehrfach gesagt, dass eine Neugliederung unausweichlich sei. Wird die Neugliederung kommen?

Ich glaube nicht, dass die Rettung der Politik in der Justiz liegt. Das muss die Politik schon selber machen. Die Neugliederung käme ja nur, wenn die Bevölkerung in der Demokratie dieses mit trägt. Ich habe die Prognose, dass das nicht einmal in Berlin-Brandenburg funktioniert, weil die Bevölkerung das nicht mitmacht. Versuchen Sie mal in Bremen vorzuschlagen, dass Radio Bremen aufgegeben wird! Das wird nicht passieren. Die Alternative ist das, wie wir das hier machen: Wir arbeiten mit Hamburg in intensiver Weise zusammen. Die Kosten liegen ja nicht in den Landesregierungen, sondern in der Bürokratie. Zum Beispiel haben wir 16 verschiedene Steuerbehörden. Das muss man nicht haben. Zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein kann man sehen, wie gut eigenständige Länder zusammenarbeiten können, sogar mit unterschiedlichen Regierungen.

Die Kooperation Bremen-Niedersachsen ist da nicht so weit?

Die Niedersachsen sind nicht so sehr Team-Spieler, wenn ich das richtig sehe. Da hätten die Bremer es sicher leichter, wenn sie mit Hamburg und Schleswig-Holstein kooperieren würden.