Die Trümmerburg

Ist der Schnoor im Wesentlichen schnuckelig? Ein Bildband von Temmen verweist auf anderes – im Text

Der Schnoor besteht aus 100 Häusern. Selbst ein nur 60 Seiten starkes Buch hat also reelle Chancen, einen Großteil bildlich vorzuführen. Und wirklich: Aus der Luft, aus der Nähe, im Detail hat Fotograf Ulrich Perrey auf so ziemlich alles drauf gehalten, was im Schnoor steht und geht. Gern sonnendurchflutet, auch mal nächtlich illuminiert. Ein hübsches, allerdings nicht allzu originelles Potpourri der Blicke.

Textlich begleitet wird der Bildband von Lutz Liffers, derzeit als einer der zwei LeiterInnen des „Bremer Weltspiels“ vom Kulturhauptbüro damit beauftragt, Bremens Ambitionen und Kreativität nach Außen zu vermitteln. Seinem Schnoor-Buch mangelt es keineswegs an internationalem Touch: Gleich viersprachig informiert es über Marterburg, Hochzeitshaus & Co.

Diese babylonische Dimension lässt zwar wenig Platz für ausgiebige Erläuterungen, umso erstaunlicher, wie viele Informationen sich in den Zweisatz-Happen dann noch unterbringen lassen. Trotz offenbar unvermeidlicher Füllworte wie „gemütlicher Hinterhof“, „Gesamtkunstwerk“ und „zentrumsnahe Oase“.

Der Rest leistet immerhin eine Charakterisierung des Viertels als ehemaligem Armen- und Randständigenquartier – inklusive Synagoge und katholischer Kirche –, dann als Objekt sinnvoller Sanierung. Summa summarum ein „atmosphärisch hoch verdichtetes Stück ,alte Stadt‘“, wie Liffers formuliert. In der Tat nutzte man beim Wiederaufbau der verfallenen Schnoor-Häuser ab 1959 viele historische Trümmerstücke aus anderen Bremer Stadtteilen.

Alltagspraktischer Schnoor-Service bleibt zwangsläufig trotzdem auf der Strecke. Also ersatzweise hier: Im Brigitten-Konvent kann man hervorragend seine Schwiegereltern übernachten lassen und montags gibt’s im Schnoor-Kiosk zwischen „Kaiser Friedrich“ und St. Johannis-Kirche leckere selbst gemachte Lasagne. Henning Bleyl

Lutz Liffers/Ulrich Perrey, Jörg Sabach (Fotos): Der Schnoor in Bremen, Edition Temmen (8,90 Euro)