Hallo, Bagdad, hier spricht Berlin

Engagierte Journalisten machen in einem Büro in der Kulturbrauerei Radio für den Irak. Election Monitor berichtet über alles rund um die Wahlen. Mit Korrespondenten, die aus Angst oft nur unter Pseudonym auf Sendung gehen

Diyar steht vor dem Mikrofon hinter der gläsernen Scheibe,die schwarzen Kopfhörer fest auf die Ohren gepresst, und liest Kommentare aus arabischen Zeitungen. Vor der Scheibe sitzt Tontechniker Friedemann an seinem kleinen Mischpult und schneidet mit. Um ihn herum liegen Kabel, Mikros und CDs. Die beiden Männer arbeiten gerade an der Presseschau für die morgige Ausgabe von Election Monitor Iraq. Radio von Irakern für Iraker, produziert in zweiten Stock eines Gebäudes in der Kulturbrauerei.

Seit Mitte Dezember wird hier jeden Tag eine 30-minütige Sendung gemacht – sie ist im Netz unter www.electionmonitoriraq .com zu hören: Neben neuesten Nachrichten aus dem Irak gibt es aktuelle Berichte, Interviews mit irakischen Politikern und Menschen von der Straße, Porträts, Straßenumfragen. Die Töne kommen über das Internet als MP3-Files von Korrespondenten direkt aus dem Irak, fertig geschnitten und produziert wird die Sendung dann in Berlin. Zu empfangen ist das arabischsprachige Programm über fünf Stationen im Irak, über Satellit und im Internet.

„Wir sind kein Wahlwerbesender, sondern Wahlbeobachter“, betont Mitinitiatorin Anja Wollenberger. Sie hat das Projekt zusammen mit Klaas Glenewinkel initiiert; es ging mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes auf Sendung – und mit der Friedrich-Ebert-Stiftung als Trägerin.

Eigentlich wollten die beiden Medienmacher einen Radiosender direkt im Irak aufbauen. Aber weil der ursprüngliche Plan wegen der Sicherheitslage im Land nicht umsetzbar war, holten sie „die Leute her“. Über Anzeigen in irakischen Zeitungen suchten sie Nachwuchsjournalisten, ließen sich Hörproben schicken und stellten dann ein Team von rund zwanzig Korrespondenten zusammen.

Die wurden Ende November in einem Workshop in Amman ausgebildet und sind jetzt in allen Teilen des Irak unterwegs. Außerdem wurden zwei erfahrene Radiomacher nach Berlin eingeflogen. Moderator Diyar ist eigentlich Leiter eines Nachrichtensenders in Dohuk, Redakteur Omar hat für verschiedene deutsche Korrespondenten in Bagdad gearbeitet. Er spricht Deutsch, weil er bis zu seinem fünften Lebensjahr in Süddeutschland gelebt hat – und ist ein wichtiger Vermittler in der Redaktion.

Wie viele Iraker das Radioprogramm hören, weiß in der Redaktion niemand genau. Aber es gibt Rückmeldungen per E-Mail und von Freunden und Bekannten im Irak. Klaas Glenewinkel träumt weiter von einem Radiosender direkt im Land, irgendwann, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Momentan ist es noch so gefährlich, dass viele der Korrespondenten vor Ort und die Iraker im Berliner Studio nur mit ihren Vornamen oder unter einem Pseudonym Radio machen. IWONA KALLOK

Zum Wahltag am Sonntag lädt election monitor iraq ab 16 Uhr zu einer Livesendung mit Berichten aus dem Irak in das Palais der Kulturbrauerei in die Schönhauser Allee 36 ein. Daneben findet ab 17 Uhr eine Diskussion mit dem irakischen Botschafter in Deutschland, mit Journalisten und weiteren Gästen statt