Immer noch Avantgarde

Einen „Schrei“ konnten sie nicht ergattern. Doch im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte sind neben Werken von Edvard Munch auch zeitgenössische Kracher zu sehen

VON PETER ORTMANN

Alles ruhig in Dortmund. Kein „Schrei“ zu sehen. Das Museum am Ostwall hat dennoch rund 50 wichtige Werke des norwegischen Malers Edvard Munch (1863-1944) zusammengesammelt und ihnen – eine richtige fifty-fifty-Lösung – 50 Arbeiten von zeitgenössischen Kunstmarkt-Stars und Sternchen entgegengesetzt.

Drei, mit Farben gekennzeichnete, Themenbereiche gliedern eine hochkarätige Kunst-Schau, an der das Dortmunder Ostwall-Museum sieben Jahre lang gearbeitet hat. „Dann kamen hier Schlag auf Schlag die Klimakisten an und in jeder steckte eine Munch Arbeit“, sagte Rosemarie E. Pahlke, stellvertretende Direktorin und Kuratorin bei der Vorstellung der Ausstellung, die durch die Kunststiftung NRW möglich wurde. „Das ist herausragend“, sagt Stiftungschefin Ilse Brusis und sieht in der Munch-Mania sogar eine Hilfestellung bei der Ruhrgebietsbewerbung zur Kulturhauptstadt 2010: „Das kann jedenfalls nicht schaden“

Nach der Cezanne-Epidemie in Essen soll „Munch revisited“ im modernen – und besser zu sichernden – Museum für Kunst und Kulturgeschichte nun die Besucher in Dortmund mit Kunst infizieren. Da machen auch der Dortmunder Energieversorger und die Stadt Dortmund gern als Sponsoren mit. Kulturdezernent Jörg Stüdemann stiftete gleich einen deutsch- und einen englischsprachigen Katalog.

Für die Themenkreise „Go to the No - Mensch und Raum“ (Titelzitat: Martin Kippenberger), „Anziehung/Loslösung - Frau und Mann“ und Melancholie und Einsamkeit haben auch die zeitgenössischen Künstler hochkarätige Werke angeliefert. Besonders das großformatige Werk von Eric Fischl ist eine wunderbare malerische Hommage an Arbeiten des großen Expressionisten zum Verhältnis von Mann und Frau. Schwieriger wird es da bei Louise Bourgeois‘ Stoff-Kopf „Pierre“ von 1998. Hier muss der Betrachter wissen, das sich die 94-jährige Französin – wie ihr Zeitgenosse Edvard Munch – häufig mit den Themen Schmerz und Angst beschäftigt hat, wenn auch unter etwas anderen Prämissen. Aber auch andere Werke, wie die Landschaftsfotos von Sonja Braas und Mikkel McAlinden oder die hyperrealistischen Gemälde von Paul Winstanley lassen sich nur assoziativ dem zeitlosen Gedankengut des großen Norwegers zuordnen.

Den berühmten „Schrei“ vermisst jedenfalls niemand und US-Amerikaner und Japaner müssen deshalb nicht weinen, wenn sie einen Abstecher nach Oslo machen. Die teuren Tränen waren jedenfalls der Grund für die Absage, nicht die Sicherheit, so Kuratorin Pahlke.

Munch revisitedBis 1. Mai 2005Museum für Kunst und KulturgeschichteDortmund