Entrückte Ziele

Eine 0:1-Niederlage beim Ex-Tabellenletzten in Freiburg sorgt für FDP-typische Depressionen in Wolfsburg

Das hatte es im Freiburger Dreisam-, pardon, im Freiburger badenova-Stadion lange nicht gegeben. Zuletzt saß dort regelmäßig Volker Finke auf der Anklagebank im Presseraum und musste wortreich erklären, warum noch nicht alles verloren sei. Währenddessen die Gästetrainer höflich warteten, bis sie endlich zum Bus durften. Am Samstag hätte sich Finke in aller Ruhe eine Zigarette drehen können, so er noch rauchen würde, derweil Kollege Erik Gerets mit Fragen bombardiert wurde. Was war los beim VfL Wolfsburg? Ist die Bank stark genug? Muss das Saisonziel nach unten korrigiert werden?

0:1 hatte Gerets‘ Mannschaft beim Tabellenletzten verloren, vergangene Woche hieß es 1:2 gegen Dortmund. In der Tabelle ist der VfL aus den Europacup-Rängen gerutscht, selbst der ungeliebte Rivale Hannover steht jetzt besser da. Dabei wollen sie doch plötzlich Meister werden in der Autostadt, seit der Verein in der Hinrunde achtmal auf Platz eins stand und in der Winterpause Thomas Strunz verpflichtete. Auch wenn niemand weiß, was dessen Qualitäten als Sportmanager eigentlich ausmacht.

„Das Ziel Meisterschaft ist ein bisschen weggerückt“, formulierte es Gerets in Freiburg. Er sah dabei aus wie Guido Westerwelle, als der einst das Projekt 18 in die Tonne der Geschichte trat. Das Geschäftsmodell Leverkusen mit Argentiniern bringt den VfL Wolfsburg nicht so schnell voran wie geplant, und die Massen strömen genausowenig wie bei der FDP. In Freiburg saßen 20.000 im Stadion, die niedrigste Zuschauerzahl seit Menschengedenken. Und das lag nicht nur an den Temperaturen unter Null.

Dabei lässt Gerets einen guten Fußball spielen, das Personal dazu hat er sowieso. „Wir sind hierhergekommen, um drei Punkte zu holen“, sagte der Trainer. Wirklich unzufrieden konnte er mit der Leistung seiner Mannschaft nicht sein, anders als vor einer Woche. Und am Schiedsrichter hatte es auch nicht gelegen: Wenn Hermann Albrecht bestochen war, dann hatte jemand gewettet, dass er in einem Spiel zehnmal die Vorteilsregel ignoriert.

Wolfsburg spielte mit, dominierte zeitweise, aber traf das Tor nicht. Das tat stattdessen Zlatan Bajramovic (57.), der zum ersten Mal seit August wieder in der Freiburger Anfangsformation stand. „Die Chancen waren da“, meinte Gerets – die größte davon vergab Thomas Brdaric, als er den Ball aus kurzer Distanz und nach reiflicher Überlegung an die Latte setzte. Ohne die verletzten Diego Klimowicz und Andres D‘Alessandro allerdings fehlte es dem VfL an Präsenz im Sturmzentrum und Ideen aus dem Mittelfeld. So war die Freiburger Viererkette, inklusive der Neuzugänge Otar Khizaneishvili und Andreas Ibertsberger, meist Herr der Dinge.

„Wir müssen hier nicht durch die kleine Tür weggehen“, sagte Gerets am Ende seiner vielen Antworten. Was die Partie in Freiburg anging, hatte er mit der belgischen Variante des hoch erhobenen Hauptes recht. Aber ob es in Wolfsburg am Saisonende für einen großen Bahnhof reicht, ist nach dem verpatzten Rückrunden-Auftakt nicht eben wahrscheinlich. Die nächsten Gegner heißen nicht Dortmund und Freiburg, sondern Bremen und Schalke. Malte Oberschelp