KABINENPREDIGT
: Sarah BSC

Es war immer die gleiche Reaktion: „Oh, du schreibst eine Sportkolumne, cool!“ Ein anerkennender Blick glitt dann erstaunlicherweise über meinen Körper, als hätte der etwas damit zu tun. „Wat denn genau? Handball, Eislauf, Boxen? Kennste dich da aus?“ „Nö, über Hertha!“ Und sofort war in den Gesichtern Mitleid zu sehen, wahlweise Arroganz oder auch Häme. „Ach du Scheiße. Wat haste dir da andrehen lassen?“ „Wieso, ich finde Hertha toll. Du etwa nicht?“ „Das ist doch die letzte Mannschaft. Schalke, Freiburg oder Dortmund, das sind Mannschaften!“

Nachdem dieser Dialog wiederholt stattfand, wurde ich sauer. „Seit wann lebst du in Berlin?“, stellte ich die Gegenfrage. Kein Einziger, der antwortete, war weniger als zehn Jahre in der Stadt. „Dann hat man auch Hertha-Fan zu sein. Sonst hast du nichts von Berlins eigenartigem Charme verstanden. Man kann sich nicht einfach nur die Rosinen rauspicken“, pampte ich zurück. Der Effekt: Eine erstaunliche Leere in den Gesichtern. Und die Replik: „Wieso das denn? Hertha ist doch Scheiße.“

Ich weiß, Hertha macht es einem wirklich nicht leicht, sie zu mögen. Das liegt weniger am Tabellenplatz – der ist ja nun mehr als okay –, sondern am Image. Das ist irgendwie so … muffelig. Und eben gerade darum finde ich Hertha toll. Der Verein passt zu Berlin genau wie Pilz zu Fuß. Die Stadt ist auch nicht auf der Welt, um gefällig zu sein. Wer das braucht, soll bitte nach München ziehen und Bayern-Fan werden.

Wer aber diese Stadt als Heimat begreift, kommt an dem blau-weißen Verein nicht vorbei. Klar hat jeder Recht, der sagt, Berlin stinke vom Kopf her. Aber genau das macht doch das Lebensgefühl aus. Und die alte Hertha trägt da Entscheidendes bei. Welcher andere Verein kann schon Mitglieder sein Eigen nennen, deren vermeintliche Kontakte in dubiose kroatische Wettstuben für grandiosen Aufruhr beim Deutschen Fußballbund sorgen?

Also: Jedem, der mir noch mal sagt, Hertha sei doch nicht so ein richtig toller Verein, schmettere ich in Zukunft ein lautes „HA!“ entgegen und zwar ein: „Ha-Ho-He, Hertha ist okay!“ SARAH SCHMIDT