Großereignisfahrer

Bode Miller hält die österreichische Ski-Armada in Schach und gewinnt in Bormio den WM-Titel im Super-G

BORMIO taz ■ Abends bei der Siegerehrung auf der Piazza Cavour hat sich Bode Miller dann doch noch amüsiert. Die Zeit des Wartens auf die amerikanische Nationalhymne wegen eines Stromausfalls hatte eine Musikkapelle aus dem Kaunertal genutzt. Sie sprang kurzerhand ein, allerdings mit dem falschen Liedgut. Aber das improvisierte „Immer wieder Österreich“ fand bei Miller offenbar mehr Zustimmung als das vorgeschriebene Zeremoniell mit dem Hissen der Flaggen und dem Abspielen der Hymne.

Bode Miller sagt, auf Siegerehrungen könne er gut verzichten. Überhaupt mag er das ganze Bohei nicht, das stets um ihn gemacht wird und sich nun nach seinem Erfolg beim Super-G auf der Piste „Stelvio“ in Bormio, dem ersten Wettbewerb der alpinen Ski-Weltmeisterschaften am Samstag, noch einmal verstärkt. Vor der Pressekonferenz am Samstag, kurz nachdem er die gesamte österreichische Ski-Armada düpiert hat, ließ der Weltmeister deshalb schon mal wissen, er habe es eilig.

Seine Antworten sind stets ausführlich, aber oft merkt man Miller an, dass er viel lieber ganz woanders wäre. Wenn er dann endgültig genug hat, kann es passieren, dass auch diese oberflächliche Freundlichkeit verschwindet. Am Samstag wollte er das gar nicht so schlechte Englisch einer italienischen Fernsehjournalistin partout falsch verstehen. Bode Miller hatte keine Lust mehr auf Smalltalk mit den Medien.

Er sagte auch, dass ihm Siege nicht viel bedeuten. Sein Ziel sei es, perfekt Ski zu fahren. Und das sei ihm am Samstag nicht gelungen. „Ich habe gedacht, mit den Fehlern, die ich gemacht habe, habe ich keine Chance zu gewinnen.“ Am Ende gewann er doch vor den Österreichern Michael Walchhofer und Benjamin Raich. Es war sein erster Sieg seit seiner famosen Serie im Dezember, als er innerhalb von 16 Tagen Rennen in vier Disziplinen gewonnen hatte. Seitdem war er im Slalom und Riesenslalom oft ausgefallen und hatte in Abfahrt und Super-G sehr schwankende Leistungen gezeigt. Bei der WM, genau zum richtigen Zeitpunkt, war er wieder da.

Eine Stunde nach dem Rennen gab er zu dann, dass ihm dieser Sieg natürlich etwas bedeutet. „Ich genieße den Moment.“ Aber es klang ziemlich gelassen. Bode Miller fährt doch nicht nur Skirennen im Weltcup, bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, um seine Sportart zu perfektionieren. Das könnte er unbeachtet von der Öffentlichkeit viel besser in den Rocky Mountains. Bei ihm steht zwar der Spaß im Vordergrund, aber dieser Spaß bringt Bode Miller ziemlich viel ein. Der WM-Titel in Bormio, sein dritter nach den beiden von St. Moritz vor zwei Jahren, steigert seinen Werbewert noch einmal. Er weiß: „Ich werde mir nach der Karriere ein angenehmes Leben leisten können.“ Einen Teil der Prämie für den ersten WM-Titel in Bormio hat er dann vermutlich in die ausschweifende Siegerparty am Samstagabend im amerikanischen Mannschaftshotel investiert.

Aber auch ein paar Meter weiter bei den Deutschen wurde an diesem WM-Abend gefeiert. Florian Eckert hat mit seinem überraschenden sechsten Platz dem Deutschen Skiverband einen guten WM-Einstand beschert und damit der Mannschaft schon im ersten Wettbewerb die Teilnahme an der Siegerehrung, zu der die sechs Besten des Rennens erscheinen dürfen. „Das Resultat ist für Eckert wie eine Medaille“, sagte Alpinchef Walter Vogel.

Es war mehr, als der 25 Jahre alte Bad Tölzer nach den Resultaten seit seiner schweren Knieverletzung im November 2001 erwarten durfte. Als bestes Ergebnis hat er einen zehnten Platz im Super-G in dieser Saison stehen. Das war beim Weltcup-Auftakt in Lake Louise – danach war es wieder abwärts gegangen mit den Rängen 27, 31 und 32 in der zweitschnellsten alpinen Disziplin. Aber bis auf das Rennen in Kitzbühel „waren alle Super-Gs in dieser Saison ganz gut“, sagt Eckert, auch wenn sich das nicht in den Resultaten widergespiegelt habe. „Der sechste Platz war eine Bestätigung für mich, dass ich vorne dabei bin, wenn ich gut fahre.“

Dass er ausgerechnet im wichtigsten Rennen des Winters sein bestes Resultat abliefert, noch dazu nach ein paar Tagen Trainingspause wegen Problemen mit dem lädierten rechten Knie und einer Grippe, ist für Chefcoach Werner Margreiter ein Beweis der mentalen Stärke Eckerts. „Der Typ ist im Kopf so stark wie kein anderer.“ Auch bei seiner ersten WM-Teilnahme vor vier Jahren war Eckert beinahe aus dem Nichts in die Weltelite gefahren, damals holte er Bronze in der Abfahrt. Sein Disziplintrainer Christian Huber sagt: „Er ist eben ein Großereignisfahrer.“ Wenn es darauf ankommt, ist er da. Wie Bode Miller.

ELISABETH SCHLAMMERL