Auch ohne Marzipan

Klaus Sondergeld erklärt: Warum 90 Prozent der Bundesbürger irren – und Bremen Kulturhauptstadt wird

Bremen taz ■ Als Chef der Bremer Marketing Gesellschaft ist Klaus Sondergeld seit 1999 für Bremens Image zuständig, seit zwei Jahren muss er auch die Ambitionen als „Kulturhauptstadt Europas“ vermitteln.

taz: Die Einlösung des Kanzlerbriefs hat als Traumziel ausgedient. Werden wir jetzt wenigstens Kulturhauptstadt?Klaus Sondergeld: Unsere Chancen sind nach allgemeiner Meinung gar nicht schlecht.

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat unter repräsentativ ausgewählten BundesbürgerInnen aber nur 10 Prozent ermittelt, die das so sehen. Sind Sie geschockt?Nein. Wir wissen ja schon länger, dass wir sozusagen von der geistigen Landkarte Deutschlands gerutscht waren und dass wir uns jetzt wieder geduldig vorarbeiten müssen. Und wenn Forsa nach „Kulturhauptstadt“ fragt, ist das quasi eine Abfrage des Bekanntheitsgrades, nicht der Eignung. Dafür ist der vierte Platz gar nicht schlecht.

Potsdam liegt mit 27 Prozent auf Platz eins und nicht mal mehr im Norden ist Bremen noch vorne: Sogar die oft belächelte Lübecker Bewerbung scheint besser anzukommen.Potsdam kennt jeder. Die haben im Gegensatz zu uns Figuren, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind.

Der alte Fritz entscheidet also posthum über die Kulturhauptstadt 2010? Nein, die Jurys entscheiden. Aber die Preußen sind ein Bekanntheits-Bonus. Lübeck hat die Mann-Brüder und Marzipan.

Die Kulturszene klagt, dass ihre Angebote in der Tourismuswerbung zu wenig vorkommen. Die prägt auch Images. Schauen Sie mal, wer so anreist, wenn die Busse nach Bremen kommen. Man muss sich ein realistisches Bild vom Gros der Städtereisenden machen: Das sind keine Hochkulturtouristen. Und in unseren Zeitungsbeilagen spielt Kultur keine zu geringe Rolle.

Wenn man den Bremern keine erfolgreichen Großprojekte – siehe Spacepark – mehr zutraut: Schmälert das die Kulturhauptstadt-Aussichten?Aber nein. Allenfalls bleibt hängen: Da ist in Bremen mal was misslungen. Wobei der Spacepark ja neu starten kann.

Zunächst mal wird die Kanzlerbrief-Misere umfassende Kürzungsszenarien zu Folge zu haben, auch für Kultur. Wie verträgt sich das mit den Hauptstadtambitionen?Der Senat ist mit seinen Vorschlägen ja noch gar nicht nieder gekommen. Aber wir haben gemeinsam definiert: Kultur hat großen Nutzen für die Stadt und ist ein sehr produktives Mittel, um die Sanierungsschwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Bremen sollte also auch in Bezug auf die grundständige Kulturförderung sehr vorsichtig mit seinen Entscheidungen umgehen. Interview: Henning Bleyl