Hartz treibt die Quote hoch

Schon bevor morgen die Arbeitsmarktzahlen für Januar veröffentlicht werden, ist klar: Hartz IV führt zu mehr registrierten Arbeitslosen, auch wenn einige Jobsuchende aus der Statistik verschwinden

VON RICHARD ROTHER

Bevor morgen die Arbeitsmarktzahlen für den Monat Januar veröffentlicht werden, steigt die Spannung: Wie hat sich die umstrittene Arbeitsmarktreform Hartz IV, die mit manchem Chaos im Januar startete, auf die Statistik ausgewirkt? Klar ist so viel: An der Beschäftigungs- und Arbeitslosensituation hat die Reform nichts verändert – modifiziert hat sich nur die statistische Abbildung der Realität.

Zwar gibt es statistische Hartz-IV-Effekte, die die offiziellen Arbeitslosenzahlen nach oben treiben, und solche, die sich mindernd auswirken. Insgesamt wird aber mit deutlich mehr arbeitslos Gemeldeten gerechnet. Ein Grund dafür neben Hartz IV ist saisonal: Gewöhnlich steigt die Zahl der Arbeitslosen im Winter, und zum Jahresende werden besonders viele Kündigungen wirksam.

Der Hauptgrund hat aber mit Hartz IV zu tun: Weil sich nun alle arbeitsfähigen Menschen zwischen 15 und 65 arbeitslos melden müssen, wenn sie Arbeitslosengeld II – statt der früheren Arbeitslosen- oder Sozialhilfe – erhalten wollen, wird die Zahl der arbeitslos Gemeldeten ansteigen. Und statt mit 270.000 wird nun mit insgesamt rund 300.000 Arbeitslosengeld-II-Empfängern in Berlin gerechnet, Familienangehörige inklusive.

Hartz IV bringt aber auch Effekte, die die Statistik drücken, man könnte auch sagen: beschönigen. So genannte 1-Euro-Jobber fallen nämlich aus der Statistik und gelten vorübergehend nicht als arbeitslos. In Berlin soll es in diesem Jahr rund 33.000 1-Euro-Jobs geben. Zudem wird sich künftig ein Teil der bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger abmelden, weil sie wegen des Partnereinkommens keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld II haben. Bei einem 2-Personen-Haushalt reicht schon ein unteres Durchschnittseinkommen eines Partners dafür aus, dass der andere Partner sämtliche Ansprüche verliert. Entsprechend deutlich sinken das gemeinsame Einkommen und der Lebensstandard des Paares.

Allerdings werden gerade in der Single-Stadt Berlin manche Betroffene versuchen, eben keine so genannte Bedarfsgemeinschaft darzustellen, sondern auseinander zu ziehen oder als Wohngemeinschaft zu gelten; Letzteres ist für zusammenlebende Paare mit gemeinsamem Nachwuchs allerdings nicht möglich. Zudem soll es bereits Fälle geben, in denen sich Paare wegen Hartz IV trennen, nach dem Motto „Für dich zahl ich nicht“.

So verwundert es nicht, dass in Berlin die so genannte Ablehnungsquote geringer ist als etwa in Brandenburg, wo viele Menschen verheiratet zusammenwohnen. Nur 2 Prozent der Anträge auf Arbeitslosengeld II waren in Berlin abgelehnt worden – bundesweit hatten die Hartz-IV-Protagonisten auf mehr als 20 Prozent gehofft.

Die Ablehnungsquote könnte demnächst etwas steigen: Zunächst haben die Arbeitsagenturen die Anträge offenbar relativ schnell bearbeitet, um die Flut der Formulare bewältigen zu können. Wird ein Antrag – wie in einem Fall aus Kreuzberg im Januar – schon innerhalb weniger Tage bewilligt, haben die Agenturmitarbeiter wohl kaum sämtliche Angaben auf dem 16-Seiten-Formular überprüft. Falsche Hoffnungen brauchen sich die Betroffenen also nicht zu machen. Die Mühlen der Arbeitsbürokratie arbeiten vielleicht langsam, aber gründlich.