speichenbruch
: Die Freude auf das Neue ist größer als die Wehmut, dass das Alte endet

Jens Fiedler, einer der erfolgreichsten Bahnradsportler aller Zeiten, dreht heute beim Sechstagerennen in Berlin seine letzten Runden

Die Gefühle werden gemischt sein, und Jens Fiedler weiß das: „Da wird schon die ein oder andere Träne fließen.“ Und doch ist der 35-Jährige auch froh darüber, dass es nun vorbei ist und er alles so gut hinter sich gebracht hat, bestens sogar. Heute, am Schlusstag der Berliner Sixdays, wird Jens Fiedler zum letzten Mal mit schnellen Beinen um eine Holzbahn hetzen. Das Publikum im Velodrom wird toben, denn in diesem Augenblick geht eine der erfolgreichsten Bahnradkarrieren überhaupt zu Ende: Dreimal Olympiasieger war Fiedler, fünfmal Weltmeister. Vor seinem Abschied sagte er: „Die Freude, dass nun etwas Neues beginnt, ist größer als die Wehmut, dass das Alte endet.“

Es gibt genügend Beispiele, dass es auch anders kommen kann: dass ein großer Sportler aufhört – und danach plötzlich sein Leben nicht mehr so richtig im Griff hat. Bei Jens Fiedler scheint diese Gefahr gebannt, er hat vorgesorgt: Schon vor acht Jahren gründete er zusammen mit einem Freund die Radsport Vermarktungs-GmbH XXL. Als Fiedlers erster Olympiasieg 1992 in Barcelona wirtschaftlich gesehen mehr oder weniger ergebnislos verpufft war, sollte sich genau dies dank der Gründung von XXL nicht wiederholen. Was zunächst zum Zweck der Eigenvermarktung ins Leben gerufen wurde, wuchs bald schon zu „einer Art Auffangbecken für Bahnradsportler“ heran. Heute fahren Cracks wie Stefan Nimke und Jan van Eijden für das Team. Die Vermarktung der Sprinter ist freilich nur eine Sparte von XXL, eine weitere ist die Organisation von Radreisen und Trainingslagern.

Jens Fiedler nennt die Vermarktungsgesellschaft „meine finanzielle Basis“. Und auch wenn er meilenweit vom Einkommen eines Jan Ullrich entfernt geblieben ist, so hat er es in den letzten Jahren doch zumindest auf das Gehalt eines Straßen-Edeldomestiken gebracht; im Bahnradsport ist das sonst bei weitem nicht zu verdienen. Nicht minder wichtig dürfte sein, dass ihm XXL Perspektiven für die Zukunft beschert. „Meine Person ist da längst fest eingeplant“, erzählt er. Es ist daran gedacht, in Chemnitz eine Art XXL-Ost-Büro zu eröffnen, dessen Leiter Fiedler dann wäre; Hauptgeschäftssitz würde Landau in der Pfalz bleiben.

„Ich will dem Sport helfen, vor allem dem Bahnradsport“, sagt Fiedler und fügt hinzu: „Wir müssen wieder ein richtiges Sportfördersystem aufbauen.“ Auch wenn er weiß, dass es jenes aus der DDR nie mehr geben wird, so hat er doch Ideen, wie zumindest ein paar kleine Puzzleteile wiederhergestellt werden können. So rief XXL das „Verbundnetz für den Sport“ ins Leben, ein privates Sportförderprogramm, das seit dem Jahr 2003 an acht ostdeutschen Olympiastützpunkten läuft. Als dreifacher Olympiasieger hat es Fiedler einfacher, Sponsoren Geld aus der Tasche zu locken. 1,125 Millionen Euro hat die in Leipzig ansässige Verbundnetz Gas AG (VNG) für das Projekt bereitgestellt, zugute kommen soll der Batzen ostdeutschen Nachwuchsathleten auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking.

Fiedlers Projekt arbeitet auch mit Paten: Jedem Nachwuchssportler steht ein Exsportler mit Rat und Tat zur Seite. Skisprung-Legende Jens Weißflog ist ebenso unter ihnen wie Frank-Peter Roetsch (Biathlon-Olympiasieger), Hartwig Gauder (Geher-Olympiasieger), Uwe-Jens Mey (Eisschnelllauf-Olympiasieger) und natürlich Fiedler selbst. „Das sind Vertrauenspersonen, die all das schon erreicht haben, was der junge Sportler noch erreichen will“, erklärt Fiedler die Grundidee. „Die Frage ist doch“, sagt er: „Was hat man gelernt von seinem Sport? Und was kann man davon weitergeben?“ Der gelernte Elektronikfachmann sagt auch: „Ich weiß, was ich kann. Und ich weiß, was ich nicht kann.“

Was Fiedler schon als Sportler immer ganz besonders gut konnte, war: mit den Zuschauern kommunizieren, sie unterhalten. „Sprinter sind ja die Entertainer“, sagt Fiedler. „Das Kommunikative liegt mir einfach.“ Deshalb will er diese Gabe nicht nur im Berufsleben nutzen, sondern auch für den krisengebeutelten Bund Deutscher Radfahrer (BDR). „Der Verband liegt mir am Herzen“, sagt Fiedler. Schon jetzt ist der 35-Jährige Mitglied jener Kommission, die die zuletzt all zu oft gestörte Kommunikation zwischen Sportlern und Verband verbessern soll; weitergehenden BDR-Engagements ist Fiedler keineswegs abgeneigt. „Es geht darum, den Bahnradsport attraktiver zu machen“, sagt er. So schnell wird ihm die Arbeit nicht ausgehen. FRANK KETTERER