Proteste in Algerien

Mitten in einem Jahrhundertwinter beschließt die Regierung eine Preiserhöhung für Butangas und Heizöl

MADRID taz ■ Die Algerier gehen in vielen Städten wieder auf die Barrikaden. Steigende Preise für Butangas und Heizöl sind der Grund dafür, dass erneut der Ruf „Gegen die Missachtung“ durch die Straßen schallt. Da ein Unglück selten allein kommt, fällt die Preiserhöhung mitten in einen Jahrhundertwinter. Nordalgerien liegt unter einer Schneedecke. Selbst in der Hauptstadt Algier, die am Mittelmeer liegt, bauen die Kinder Schneemänner auf den Gehsteigen. Sogar in Teilen der Sahara ist am Wochenende Schnee gefallen.

Die Regierung beschloss vor knapp zwei Wochen, den Preis für die Butangasflasche, mit der in den meisten Haushalten gekocht und geheizt wird, um 18 Prozent anzuheben. Sie kostet jetzt umgerechnet zwei Euro statt bisher 1,70. Das Heizöl wurde auf einen Schlag um neun Prozent teurer. Zwar lehnte das Parlament die Preiserhöhung ab, doch die Regierung unter Ministerpräsident Ahmed Ouyahia ignorierte den Beschluss.

Vielerorts kommt es dank der extrem niedrigen Temperaturen gar zu Versorgungsengpässen. Dies macht sich so mancher skrupellose Geschäftsmann zu Nutze. Vor allem in gebirgigen Regionen kostet die Flasche Gas bis zu 3,50 Euro. Viele Haushalte wissen nicht, wovon sie die Heizkosten bezahlen sollen. Der Lohn eines Arbeiters liegt zwischen 70 und 100 Euro im Monat.

Zu ersten Protesten kam es bereits vor zwei Wochen nach der Preiserhöhung in Birine, einem Ort auf der Hochebene im Atlas zwischen Algier und Oran. Die meist jungen Demonstranten überfielen öffentliche Einrichtungen, plünderten die Büros und steckten die Gebäude in Brand. Der Funke sprang schnell auf andere Regionen über. Die Proteste halten nach wie vor an; in mehreren Provinzstädten herrscht regelrecht Ausnahmezustand.

Regierungschef Ahmed Ouyahia gibt nicht nach. „Das Gesetz wird rigoros angewandt“, droht er den Demonstranten. Die ersten sechs wurden bereits zu acht Monaten Haft verurteilt. REINER WANDLER