„Neue Wahl, neues Glück“

Volker Ratzmann, 2004 fast gescheitert, kandidiert erneut als Grünen-Fraktionschef. Er schließt nicht aus, dass 2006 Ex-EU-Kommissarin Schreyer Spitzenkandidatin wird

taz: Herr Ratzmann, haben Sie einen Hang zum Masochismus?

Volker Ratzmann: Habe ich bisher nicht an mir feststellen können. Wieso, gibt es äußerlich erkennbare Anzeichen?

Ja – Sie tun sich eine erneute Kandidatur für den Grünen-Fraktionsvorsitz an, obwohl es vergangenes Jahr nur mit Ach und Krach und im dritten Wahlgang geklappt hat.

Neue Wahl, neues Glück. Bei uns sind die Wahlen geheim und ihr Ausgang ist immer offen.

Warum soll eine Mehrheit der Fraktion Sie diesmal schon auf Anhieb wählen?

Weil das vergangene Jahr ein erfolgreiches Jahr war. Wir halten uns in den Umfragen stabil bei 17 Prozent, wir hatten eine sehr erfolgreiche Europawahl. Wir haben Bewährtes bewahrt und Neues angepackt. In Sachen Flüchtlingspolitik, in Sachen Bürgerrechte sind wir die Einzigen, die dem Senat Paroli bieten. Die Föderalismuskommission ist zwar gescheitert, aber das Thema Föderalismus inklusive der Frage nach der Hauptstadtfunktion Berlins steht auf der Tagesordnung. Wir haben viel geschafft. Daran habe ich meinen Anteil.

Ihre Chefkollegin Sibyll Klotz hat sich kürzlich für Rot-Grün nach der Wahl 2006 ausgesprochen. Wie wollen Sie mit diesem Wunsch im Kopf noch glaubhafte Opposition gegen die aktuell mit der PDS regierende SPD machen?

Wir streiten für grüne Politik und grüne Themen. Die wollen wir umsetzen: Nachhaltigkeit als Richtschnur in der Politik – auch in Haushaltsfragen. Wir dürfen die kommenden Generationen nicht unsere Schulden abbezahlen lassen. Diese Stadt hat so viel zu bieten. Das wollen wir fördern und ausbauen und damit auch in den Rest der Republik wirken.

Was konkret hat Berlin zu bieten, was wollen Sie fördern?

Wir wollen Wissenschaft und Kultur stärken, weil hier die Zukunftspotenziale der Stadt liegen. Die Bildung darf nicht nur auf dem Papier Priorität haben, diesen Anspruch wollen wir mit Leben füllen. Wir wollen Berlins Internationalität, die kulturelle Vielfalt als Stärke nutzen. Das sind unsere Ziele, die wir mit einem guten Wahlergebnis im Rücken in einem Senat umsetzen wollen. Und das braucht die Stadt.

Schön und gut, aber was heißt das nun für ihr Verhältnis zur SPD und eine mögliche Koalition nach der Abgeordnetenhauswahl 2006?

Nach Lage der Dinge wird das ohne die SPD nicht gehen. Aber wenn die SPD unserer Meinung nach falsch handelt, dann werden wir das sagen. Laut und deutlich.

Für 2006 denken die Grünen angeblich daran, mit der gerade als EU-Kommissarin ausgeschiedenen früheren Senatorin Michaele Schreyer als Spitzenkandidatin anzutreten.

Personalentscheidungen fällt die Partei auf einer Landesdelegiertenkonferenz oder Mitgliedervollversammlung.

INTERVIEW: STEFAN ALBERTI