DIE DEMOKRATIE IN NEPAL STEHT VOR DEM AUS – UND DIE WELT SCHAUT ZU
: König ohne Maß

Ein König putscht sich selbst an die Macht – Nepal bietet gerade ein bizarres Schauspiel. Zum vierten Mal in vier Jahren hat der dortige König die Regierung abgesetzt. Dazu hat er als konstitutionelles Oberhaupt des Landes das Recht. Doch die Zahl der von König Gyanendra ein- und abgesetzten Regierungen zeigt, dass er die von ihm ausgelösten Krisen nicht zu nutzen weiß. Im Gegenteil: Jedes Mal wird die Bewährungsfrist kürzer, die er dem neuen Amtsinhaber einräumt. Diesmal waren es keine sieben Monate mehr. Und diesmal ging er noch einen Schritt weiter. Er werde sich, sagt Gyanendra nun, für die nächsten drei Jahre gleich selber an die Spitze der Regierung setzen.

Dies sind untrügliche Indizien, dass die knapp fünfzehn Jahre alte Demokratie in Nepal immer mehr ausgehöhlt wird. Es besteht kein Zweifel, dass die demokratisch gewählten Politiker daran selber mitschuldig sind. Seit Jahren stellen sie persönliche Ambitionen und Rankünen vor das Gemeinwohl. Die Maoisten ihrerseits bezeichnen sich selbst als Totengräber der parlamentarischen Verfassung, weil sie nur in einem von „Volkskomitees“ gesteuerten Machtsystem die wahre Demokratie erkennen wollen. Doch das Verhalten des Königs lässt vermuten, dass er in diesen Todfeinden seine wahren Alliierten sieht. Denn der Bürgerkrieg gibt dem Staatsoberhaupt immer mehr Gelegenheit, sich als starker Mann und Retter Nepals aufzuspielen.

Gyanendra tut dies mit umso größerer Freiheit, als die internationale Gemeinschaft – mit Ausnahme von Menschenrechtsgruppen wie etwa amnesty international – wenig tut, um ihn daran zu hindern. Im Gegenteil, die wichtigsten Staaten, Indien und die USA, stellen einmal mehr Stabilität vor Demokratie. Die beiden schmücken sich zwar gerne mit den Titeln der größten und der ältesten Demokratie der Welt. Doch dies scheint ihnen nur für das eigene Land zu gelten. Außerhalb der eigenen Grenzen zählt nur, was ihre eigene Macht und die internationale Stabilität fördert, sei dies nun – wie im nahen Pakistan – ein Diktator oder, wie in Nepal, ein machthungriger König. BERNARD IMHASLY