Trimmen soll gesetzlich verordnet werden

Heute geht Ulla Schmidt mit einem Gesetzesvorschlag zur Gesundheitsvorsorge ins Kabinett, der einen Schönheitsfehler hat: Die Bundesagentur für Arbeit macht nicht mit, weil sie die Kosten scheut. Dem Projekt fehlen deshalb jährlich 20 Millionen Euro

VON ULRIKE WINKELMANN

Ruft man in einen Raum „Trimm dich“ hinein, heben alle sofort den Daumen und lächeln breit. Zehn Jahre nach dem Ende der Trimm-dich-Kampagne erinnert sich noch jeder an das kurzbeinige Werbemännchen, das die Bevölkerung aufforderte, Sport zu treiben, um fit zu bleiben.

Die Trimm-dich-Kampagne startete 1970 und war binnen Kurzem bekannter als der Bundespräsident. 1974 gaben 19 Prozent der Befragten an, durch die Kampagne zum „Trimmen“ angeregt worden zu sein. Das waren umgerechnet auf die Bevölkerung über 16 Jahre immerhin 8,5 Millionen Menschen.

Die Trimm-dich-Kampagne gilt also als Erfolgsstory der Gesundheitsvorsorge – mit einem kleinen Haken: „Es ist einfach unglaublich schwer, die Wirksamkeit überhaupt zu messen“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Verena Mörath, deren Trimm-dich-Studie in wenigen Wochen beim Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) veröffentlicht wird.

Letztlich kann kaum jemand sagen, welcher Reiz ihn zu einer Verhaltensänderung bewog. Dass „Trimm dich“ einschlug, dürfte auch mit der Neuentdeckung der Körperlichkeit Anfang der 70er zu tun gehabt haben. Der Deutsche Sport Bund sagte damals: „Es lag in der Luft.“

Aber springt heute, hundert Fitness-Wellen später, noch jemand auf das Thema Gesundheitsvorsorge an? Den Versuch ist es wert, meint offenbar Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und marschiert heute mit ihrem Entwurf eines Präventionsgesetzes ins Kabinett.

Mit dem Gesetz entsteht eine Stiftung, die von Krankenkassen, Renten-, Pflege- und Unfallversicherung gespeist wird. Mit 250 Millionen Euro pro Jahr sollen die Versicherungen und die Stiftung Projekte fördern, die das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung steigern: Kinder sollen an gesundes Schulessen gelangen, alte Menschen ihre Bewegungsfähigkeit erhalten, Raucher aufhören zu rauchen. Denn durch chronische Krankheiten, Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung, Pflegebedürftigkeit entstehen dem Sozialstaat immense Kosten. Billiger wäre, die Menschen blieben gesund.

Eigentlich hätte sich auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit 20 Millionen Euro beteiligen sollen. Doch die BA macht nicht mit: Hartz IV sei schon teuer genug. Zwar hat die Arbeitslosen-Versicherung gute Gründe, ihr Klientel auch gesundheitlich zu fördern. Doch dazu sagt die BA: Wir zahlen bloß Arbeitslosengeld I. Für Langzeitarbeitslose sei aber der Staat zuständig: Deshalb müsse die Prävention auch aus Steuern bezahlt werden.

Rolf Rosenbrock, Gesundheitsforscher und Kenner des Präventionsgesetzes seit dessen erstem Entwurf 2003, hegt Hoffnungen: Das Gesetz könnte die Gesundheitsvorsorge dem bloßen Werbeinteresse der Krankenkassen entreißen. Dazu müssten jedoch die Sozialkassen gut zusammenarbeiten. „Das klappt nur, wenn alle Akteure das Gemeinwohl immer im Auge haben.“ Und das habe er noch nicht erlebt, sagt Rosenbrock.

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