17 Prozent dahinter

SPD Die Wahl ist ein Debakel für die SPD. Da nutzt es auch nichts, dass die Linke nicht von deren Niederlage profitieren konnte

„„Der Kampf um die Bundestagswahl wird aufgenommen“

FRANZ MÜNTEFERING, SPD

AUS BERLIN WOLF SCHMIDT

Dass die Union vor der SPD liegen würde, war schon vor der Europawahl klar. Die Frage war nur: Wie deutlich? Am Ende waren es fast 17 Prozentpunkte Vorsprung für die Union, die SPD landete nach den ersten Hochrechnungen nur knapp über 21 Prozent. Ein Ergebnis, das in dieser Deutlichkeit keine der Umfragen vorausgesagt hatte.

Entsprechend gequält war das Lächeln, das SPD-Chef Franz Müntefering aufsetzte, als er zusammen mit dem Europa-Spitzenkandidaten Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus vor die Genossen trat. „Das Ergebnis ist deutlich schlechter als erhofft“, sagte Müntefering. „Es ist enttäuschend.“ Er versuchte noch, das Ergebnis auf „Mobilisierungsprobleme“ bei der Europawahl zu schieben, und tröstete später die Sozialdemokraten damit, dass immerhin die Linkspartei nicht von der Schwäche der SPD habe profitieren können. Doch es nutzte nichts: Das Ergebnis ist ein Debakel. Entsprechend mies war die Stimmung in der SPD.

Dabei hatte die SPD eigentlich günstige Ausgangsbedingungen: Denn im Vergleich zu den Europawahlen vor fünf Jahren konnte sie kaum mehr abstürzen. Damals landeten die Sozialdemokraten wegen Gerhard Schröders Agenda-2010-Politik schon bei gerade einmal 21,5 Prozent der Stimmen – ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl.

Das konnte 2009 nur noch besser werden, dachten alle in der SPD. Insgeheim hatten manche Sozialdemokraten sogar gehofft, den Abstand zur Union auf nur 5 oder 6 Prozentpunkte verringern und dann offensiv mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in den Bundestagswahlkampf einsteigen zu können – schließlich hatte sie auch schon im Europawahlkampf mit ihm geworben.

Und nun das.

Entsprechend groß war der Jubel in der Union. Sie konnte trotz eines auch in den eigenen Reihen kritisierten langweilig-patriotischen Wahlkampfs („Wir in Europa“) nach ersten Hochrechnungen ca, 38 Prozent der Stimmen bekommen und zumindest grob die Erwartungen erfüllen.

„Es gibt eine klare bürgerliche Mehrheit von Union und FDP in Deutschland“, frohlockte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in der Parteizentrale in Berlin. Nach den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Zahlen lag das schwarz-gelbe Lager allerdings knapp unter der 50-Prozent-Marke. Doch das störte die Union nicht – und auch nicht, dass CDU und CSU gegenüber 2004 immerhin rund 6 Prozentpunkte der Stimmen verloren haben. Im Gegenteil nutzte die Union die Niederlage, um der SPD europapolitisch eine mitzugeben. Bei diesem Wahlergebnis habe die SPD ihren Anspruch verloren, über den nächsten deutschen EU-Kommissar zu bestimmen. „Der nächste Kommissar der EU kommt von der Union“, sagte der Unionsfraktionschef im Bundestag, Volker Kauder.

Doch auch die Union musste vor den Europawahlen zittern, und zwar um das Wahlergebnis der CSU (siehe Text unten). Die tritt zwar bei der Europawahl nur in Bayern als eigenständige Partei an, muss aber dennoch deutschlandweit die Fünfprozenthürde schaffen. Wäre sie, erstmals in ihrer Geschichte, nicht ins Europaparlament eingezogen, wäre wohl bis zur Bundestagswahl ein noch krawalligeres Auftreten des CSU-Chefs Horst Seehofer zu erwarten gewesen – ein Albtraum für Kanzlerin Merkel.

Doch dazu kam es nicht. Zum Albtraum wurde das Ergebnis nur für die Sozialdemokraten. „Das ist ein enttäuschendes Wahlergebnis, da gibt es nichts darum herumzureden“, musste denn auch Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier am Sonntagabend einräumen. „Ganz offensichtlich ist es uns nicht gelungen, unsere Wähler, unsere Wählerschichten wirklich an die Urnen zu bringen.“

Nur Parteichef Müntefering schaffte es noch, sich wenigstens ein bisschen kämpferisch zu geben. „Der Kampf um die Bundestagswahl wird aufgenommen“, sagte er. „Und zwar sofort.“