Echte Arbeitslosenzahlen kommen ans Licht

Die Zahl der Arbeitslosen in NRW stieg im Januar auf fast eine Million. Im Vergleich zum Vormonat waren 20 Prozent mehr Jugendliche ohne Arbeit. Verantwortlich für die Statistik sei vor allem die Hartz-Reform, so die Regionaldirektion

DÜSSELDORF taz ■ Die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen ist auf dem Höchststand seit der Nachkriegszeit: Im Januar 2005 waren 985.603 Arbeitssuchende gemeldet, das sind 8,2 Prozent mehr als im Dezember. Konjunkturelle Impulse blieben weitgehend ohne Wirkung, gleichzeitig wirke sich der winterliche Anstieg der Arbeitslosigkeit aus, begründet die Regionaldirektion NRW den rasanten Anstieg. Außerdem erhöhe die neue Rechtslage durch Hartz IV zusätzlich die Zahl der Arbeitslosen.

Die Januar-Statistik bedeute nicht, dass die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen explodiert sei, so Dagmar Schönefeld, Leiterin der Regionaldirektion NRW. „Es sind nicht entscheidend mehr Menschen ohne Arbeit als vorher, die Arbeitslosigkeit wird transparenter.“ Denn zur bisherigen Arbeitslosenstatistik kämen die erwerbsfähigen ehemaligen Sozialhilfeempfänger – heute Arbeitslosengeld-II-Empfänger – hinzu, die bisher nicht arbeitslos gemeldet waren. Das im Januar in Kraft getretene Hartz IV-Gesetz ist auch eine Ursache für den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen. Mit 106.570 Arbeitslosen in dieser Altersgruppe wird der Stand von Ende Dezember 2004 um 19 Prozent überschritten. Diejenigen, die vorher keinen eigenen Anspruch auf Leistungen hatten, werden jetzt als Teil der so genannten Bedarfsgemeinschaft oder als eigene Bedarfsgemeinschaft stärker in die Pflicht genommen. Sobald sie keine Schule oder Hochschule besuchen und Arbeitslosengeld II beanspruchen, werden sie als ,,arbeitslos“ geführt. Zudem wirkten sich laut Regionaldirektion auch die Prüfungstermine für die zwei- und dreieinhalbjährigen Berufsausbildungen auf die Januar-Statistik aus. Fachkräfte fanden nicht unmittelbar einen Anschlussarbeitsplatz und meldeten sich arbeitslos.

Auch die Arbeitslosigkeit unter der ausländischen Bevölkerung in NRW ist von einem bereits hohen Niveau weiter angestiegen: Jeder vierte war im Januar als Arbeitssuchender gemeldet. In einem Höhenflug befindet sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen: 12 Prozent mehr als im Vormonat, und das „ohne statistische Sondereffekte“.

Von den 985.600 Arbeitslosen bezogen 38,2 Prozent „klassisches“ Arbeitslosengeld. 46,4 Prozent erhielten das neue Arbeitslosengeld II. 15,4 Prozent der Arbeitslosen bezogen keine staatliche Unterstützung, wollen jedoch durch die Agenturen für Arbeit in eine Beschäftigung vermittelt werden.

Unbeeindruckt von den Erklärungen der Regionaldirektion bewertet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die neuen Arbeitslosenzahlen als „katastrophal“. „Ich warne davor, dass sich Deutschland an diese hohe Zahl von Arbeitslosen gewöhnt“, sagt Walter Haas, DGB-Bezirksvorsitzender in NRW. Die Gewerkschaft kritisiert besonders, dass die Agenturen für Arbeit im Moment keine Zeit hätten für die Arbeitsvermittlung, weil sie sich im Januar nur um die Antragsflut für das neue Arbeitslosengeld-II gekümmert hätte. „Die Bundesagentur muss sich umgehend auf ihre Vermittlungsaufgabe konzentrieren“, fordert Haas. NATALIE WIESMANN