Freiwilligkeit als Erlass

Im Wahlkampf in NRW erhöht ein Erlass von Justiz- und Innenministerien in NRW zur Polizei-Analyse der Erbsubstanz die gefühlte Sicherheit. Wir erklären was gilt, was nicht stimmt und was kommt

VON ELMAR KOK

Wenn der Betroffene auf eine richterliche Zustimmung verzichtet, darf die Polizei künftig sofort dessen DNA analysieren

Wolfgang Gerhards (SPD), Justizminister NRW

Fritz Behrens (SPD), Innenminister NRW

Diese Aussage, geschickt verknüpft mit den angeblichen Erfolgen der Gen-Fahndung – 31 aufgeklärte Morde, 77 zugeordnete Sexualstraftaten, 254 geklärte Raubüberfälle und 2.745 aufgeklärte Einbrüche – soll suggerieren, die DNA-Fahndung verbessere die Sicherheit. Dabei wird der Bürger mit solchen Aussagen eher in die irre geführt.

Was ist DNA?

DNA ist Desoxyribonucleic Acid und heißt auf deutsch Desoxyribonukleinsäure (DNS). Das DNS-Molekül enthält den gesamten genetischen Bauplan des Menschen. Die DNS enthält sowohl den codierenden Teil, der die Erbinformationen des Individuums speichert, als auch den nicht-codierten, der vom BKA gespeichert werden darf. Als persönliche Information enthält der nicht-codierte Teil lediglich die Merkmale des Geschlechts.

Was darf überhaupt gespeichert werden?

Die nach einer freiwilligen Zustimmung gewonnenen Daten über gentechnische Merkmale dürfen nicht gespeichert werden. Nach Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2001 darf die Datenspeicherung nur an eine Verurteilung wegen einer Straftat von „erheblicher Bedeutung“ anknüpfen. Zudem müsse für die Speicherung der Daten prognostiziert werden können, dass gegen die behandelte Person zukünftig weitere Strafverfahren „wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu führen sein werden. Nach Erlasslage in Nordrhein-Westfalen müsse wohl angenommen werden, so Thilo Weichert, Sprecher des unabhängigen Datenschutzzentrums in Kiel, „dass die Freiwilligen davon ausgehen, in Zukunft irgendwelche Straftaten zu begehen, deren Aufklärung sie schon vorher unterstützen wollen“.

Wem nützt der neue Erlass?

Der neue Erlass, der noch schriftlich zugestellt werden muss, nützt der Polizei, um Druck auf mögliche Verdächtige ausüben zu können. Wer seinen Code nicht freiwillig hergeben will, macht sich verdächtig. Für die Polizei eine schöne Möglichkeit, Täterkreise zu verkleinern und sich die Fahndungsarbeit zu erleichtern. Opfern und deren Angehörigen nutzt das allerdings gar nichts. Wenn Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sagt, Sexualstraftäter seien vorher zu 70 Prozent durch andere Straftaten auffällig geworden und es sei Eltern ermordeter Kinder nicht zu vermitteln, dass Täter-Daten trotz Vorstrafen nicht in der bundesweiten Datenbank stünden, nützt das eher seinen potenziellen Wählern. Eltern können mit dem genetischen Code des Kindermörders nämlich nichts anfangen.

Wie kann ich mich zum Erlass verhalten?

Wer einer Verdachtssituation ausgesetzt ist, sollte nicht einmal freiwillig seine Daten hergeben. Selbst gegen richterliche Anordnung kann Widerspruch eingelegt werden.Wenn dem sozialen Druck standgehalten werden kann. Denn wenn der Nachbar weiß, dass ich meine Spucke nicht abgegeben habe, darf ich wahrscheinlich vorerst nicht mehr auf seine Kinder aufpassen. Zumindest sollte die freiwillige Einwilligung nach der Abgabe der Gene sofort wieder zurückgenommen werden, sagen Datenschützer. Zudem kann jeder beim Bundeskriminalamt (BKA) nachfragen, welche Daten von ihm gespeichert werden. Die Bundesdatenschützer, die über die Datei Aufsicht führen dürfen, sind keine große Hoffnung. Sie gehen die Datei nur routinemäßig alle vier Jahre durch.

Was bringt der Erlass in der Zukunft?

Es gebe viele „kooperationsbereite Straftäter“, die auf Milderung der Strafe durch Preisgabe ihres genetischen Codes hofften, sagt Ulrich Rungwerth, Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Denn schließlich helfen sie mit, weitere Strafen aufzuklären. In Bayern sind die DNS-Fahnder schon durch die Gefängnisse gegangen, um freiwilliges DNS-Material einzufordern, „aber das geschieht dann natürlich unter einer gewissen Zwangssituation“, sagt Rungwerth.