Wild auf dem Weg

Neue Jagdszenen aus Niedersachsen: Weil auch die Straßen zu den bejagbaren Flächen zählen, will man in Lingen dafür von den Jagdverpächtern Geld sehen. Die Jäger bezweifeln die Wirtschaftlichkeit

Zuallererst muss man wissen, dass vor dem Gesetz eine Straße keinen Schutzraum darstellt. Nicht für das Wild. Deswegen sollen nun in Niedersachsen die Jagdgenossenschaften ihre Einnahmen aus der Jagdverpachtung mit der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr teilen, anteilig für die Bundes- und Landstraßen, die durch die Reviere führen. Bundesweit ein einmaliges Vorgehen.

Vorreiter ist man in Lingen. In den vergangenen Jahren hat das dortige Straßenbauamt in seinem Bereich alle erforderlichen Flächendaten erfasst. Jetzt wurden die ersten Anteile an den Pachteinnahmen von den jeweiligen Jagdgenossenschaften eingefordert. In diesen sind alle Grundeigentümer innerhalb eines Jagdbezirks zusammengeschlossen – per Zwangsmitgliedschaft.

Das Vorgehen der Außenstelle Lingen der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hat dabei landesweiten Modellcharakter. Begründet wird die Maßnahme mit haushaltsrechtlichen Grundsätzen.

Es lockt das Geld: Durch die bei Straßenneubauten vorgeschriebene Anlage von so genannten Ausgleichsflächen sei die Einforderung dieser Gelder wirtschaftlich vertretbar. Die Straßenflächen habe man jedoch auch mit in die Berechnung einbezogen, da diese rechtlich zur bejagbaren Fläche zählten, teilte die Pressesprecherin der Behörde mit. Lediglich bei Flächen, die gar nicht ohne weiteres beim Flanieren durch das Grün betreten werden dürfen, wie beispielsweise Autobahnen, würden keine Pachteinnahmen erhoben. Etwa 22.000 bis 25.000 Euro pro Jahr werden für den Bereich Lingen an Einnahmen aus dieser neuen Quelle erwartet. Bei Kleinbeiträgen solle allerdings auf eine Überweisung verzichtet werden.

Die niedersächsischen Jäger und Jagdgenossenschaften sehen das Treiben der Behörde dagegen mit Skepsis. Peter Zanini, Geschäftsführer des Zentralverbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer in Niedersachsen, bezweifelt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme. Seiner Einschätzung nach fallen die – rechtlich gar nicht bestrittenen – Ansprüche der Behörde oftmals in den Bereich der Geringfügigkeit und würden beiderseits, also bei der Behörde wie bei den Jagdverpächtern, einen nicht vertretbaren Arbeitsaufwand auslösen.

Außerdem hätten die Jagdverpächter und Jäger bislang stets ihren guten Willen gezeigt und gerade im Bereich der Straßen oftmals Aufgaben übernommen, für die sie rechtlich nicht zuständig seien, insbesondere für die Beseitigung von Fallwild nach Wildunfällen.

Noch ein wenig tiefer in ihre Taschen müssten die Jagdgenossen greifen, wenn das Vorgehen der Landesbehörde Schule machen sollte. So wären auch die ebenfalls auf jede mögliche Einnahme angewiesenen Kreise und Gemeinden berechtigt, für die Straßen und Wege als rechtlich zu bejagbare Flächen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Jagdeinnahmen einzufordern. Weil die Jäger ja schließlich Anspruch auf das dort vorkommende Wild haben – auch wenn es vom LKW erlegt wurde. J. MÜLLER