Steckdose für Schiffe machbar

LUFTQUALITÄT Laut einer Studie ließen sich Kreuzfahrtschiffe am Kai mit Landstrom versorgen. Vermieden wäre damit der Einsatz von umweltschädlichem Schweröl

Der IVH will vermeiden, dass Schiffe gezwungen werden, sich an das Landstromnetz anzuschließen

VON GERNOT KNÖDLER

Vor der Hafencity liegende Kreuzfahrtschiffe von Land aus mit Strom zu versorgen, wäre technisch machbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Industrieverband (IVH), der Energieversorger Vattenfall, der Schiffszertifizierer Germanischer Lloyd und der Elektrokonzern Siemens vorgelegt haben. Die Steckdosen samt Zubehör wären allerdings nicht gerade billig: Um zwei Schiffe wie die Queen Mary II und die Aida Diva gleichzeitig versorgen zu können, müssten 24 Millionen Euro investiert werden.

Das Gutachten kommt auf den letzten Drücker, denn schon im kommenden Jahr gelten neue Grenzwerte zur Luftreinhaltung in der EU. Die am Kai liegenden Kreuzfahrtschiffe blasen einen Teil ihrer Abgase in die Hafencity, wodurch dort die Grenze zur amtlich attestierten Gesundheitsgefährdung überschritten würde. „Es ist nicht sinnvoll, die Augen vor dieser Situation zu verschließen“, sagt Frank Horch, der Vorsitzende des IVH.

Ein Kreuzfahrtschiff mit seinen Klimaanlagen, Schwimmbädern und Restaurants hat schon im Standby-Betrieb den Energiebedarf einer Kleinstadt. Es deckt ihn mit einer sehr umweltschädlichen Energiequelle: Schweröl, einem billigen Abfallprodukt der Raffinerien. Schiffsschornsteine stoßen deshalb unverhältnismäßig viel an Schadstoffen aus: Stickoxide, die die Atemwege reizen und Schwefeldioxid das wesentlich zur Entstehung von Ruß und damit von Krebs erregendem Feinstaub beiträgt.

Die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO und die EU beschlossen daher, die Treibstoffqualität zu verbessern. Seit 2007 gilt in der stark befahrenen Nordsee ein Schwefel-Grenzwert von 1,5 Prozent. 2015 sollen es nur noch 0,1 Prozent sein. Wenn sie in einem EU-Hafen liegen, dürfen Schiffe schon ab dem nächsten Jahr nur noch Öl mit maximal 0,1 Prozent Schwefelanteil verbrennen.

Aber auch dann werden die Schiffsaggregate noch deutlich mehr Schadstoffe in die Luft blasen als ein Kraftwerk an Land. Aus einem Schiffsdiesel kommt mehr als die 20-fache Menge an Stickoxiden pro Kilowattstunde, sowie etwas mehr Schwefel- und Kohlendioxid.

Um die Schiffssteckdose realisieren zu können, müsste in der Hafencity ein Umspannwerk gebaut werden. Dazu kämen Frequenzumwandler, die den Landstrom für die Schiffe von 50 auf 60 Herz bringen. Sie würden den größten Teil der 24 Millionen Euro verschlingen, die eine solche Anlage inklusive der Kabel und den Steckverbindungen für zwei Liegeplätze kosten würde.

Nach den Vorstellungen des IVH sollte die Stadt den Betrieb der Anlage ausschreiben. Ob und wie der Betreiber das Geld wieder einspiele, sei dann dessen Problem, sagt der stellvertretende IVH-Geschäftsführer Marc März. „Wenn sich kein Betreiber fände, wäre eine Landstromversorgung vielleicht auch nicht eine ordnungspolitisch sinnvolle Lösung“, orakelt März.

Der IVH will vermeiden, dass Schiffe gezwungen werden, sich an das Landstromnetz anzuschließen. Er setzt stattdessen auf Anreize wie die bevorzugte Vergabe von Liegeplätzen oder emissionsabhängige Hafenentgelte. Im übrigen sei das Modell „keine Blaupause für alle Liegeplätze“, sagt Horch mit Blick auf den Güterumschlag.

Umweltstaatsrat Christian Maß (GAL) lobte das vom Senat unterstützte Gutachten. Es leiste einen wichtigen Beitrag zu seinem Versuch, die europäischen Hafenstädte beim Landstrom für Schiffe zu einem einheitlichen Vorgehen zu bewegen.