malstange
: Vom Referee zum Schiedsrichter

Der deutsche Fußball feiert 2005 ein kurioses Jubiläum: Vor hundert Jahren wurde seine Sprache grundlegend reformiert

„Bozsik, der rechte Half-back der Ungarn, hat den Ball – verloren, diesmal an Schäfer. Schäfer centert. Aus dem Hintergrund müsste Rahn shooten …Goal! Goal! Goal!“ Dass der Rundfunkreporter Herbert Zimmermann nicht mit diesen Worten in die Geschichte einging, ist weder mangelnden Fremdsprachenkenntnissen noch einem neu erwachten Wirtschaftswunder-Chauvinismus geschuldet, sondern einer ebenso obskuren wie erfolgreichen Sprachreinigungskampagne, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dazu führte, dass englische und französische Elemente erst aus der Terminologie von Post, Fernmelde- und Transportwesen und schließlich auch des „Association-Football“, Pardon, des „Fußballs ohne Aufnehmen“ verbannt wurden.

Vor hundert Jahren, im Sommer 1905, veröffentlichte der „Deutsche Sprachverein“ seine folgenreiche „Tafel mit deutschen Ausdrücken für das Fußballspiel“, welche bald „aufgezogen, gefirnißt und zum Aufhängen eingerichtet“ die germanophilen Vereinsheime und Kampfbahnen zwischen Straßburg und Breslau schmücken sollte. Aus dem „Centre-forward“ wurde der „Mittelstürmer“, und wenn der zum „Schiedsrichter“ umgetaufte „Referee“ leichtsinnig zur „Half-time“ bat, spielte der nationalbewusste Sportsmann einfach bis zum Halbzeitpfiff weiter.

Es hätte jedoch noch schlimmer kommen können. So setzte sich immerhin „Torpfosten“ statt der ebenfalls vorgeschlagenen „Malstange“ für „Goal-post“ durch, und trotz aller Sympathie für den ehemaligen Masseur („Knetknecht“?) Hermann Rieger des Hamburger Sportvereins wird man nicht bedauern, dass das „Team“ heute mit „Mannschaft“ und nicht mit „Riege“ koexistiert. Gehalten haben sich übrigens naheliegenderweise jene Anglizismen, die eine rustikalere Gangart bezeichnen. Was wäre schließlich ein invertiertes „Ungehörig!“ gegen das maskuline „Foul!“ oder ein harmloses „Halten“ gegen einen gepfefferten „Tackle“?

Von solchen Ausnahmen abgesehen ist der deutsche Fußballwortschatz aber sprachpuristisch durchwirkt wie kaum ein anderer in Europa. Zur Veranschaulichung empfiehlt es sich beispielsweise, einmal eine türkische „Futbol“-Übertragung zu verfolgen. Auch der sprachlich völlig Unkundige wird binnen kurzem erregt „Offside“-Entscheidungen monieren. Noch dicker kommt es indes bei den ansonsten notorisch sprachsensiblen Weltmeistern von 1998. Indes: „Shooter un penalty“ mag der Académie française ein Dorn im Auge sein – tant pis, solange es den „Score“ verbessert.

NIKOLAUS RUGE