„2.500 Euro sind gar nicht absurd“,sagt Gerd Wagner

Studiengebühren sind sinnvoll, wenn sie der Lehre zugute kommen. Die Unilandschaft wird sich ausdifferenzieren

taz: Herr Wagner, 500 Euro, 1.000 Euro, 2.500 Euro, jeden Tag wird eine neue Höhe von Semestergebühren in die Diskussion gebracht. Welcher Betrag darf’s denn nun sein?

Gert G. Wagner: Wenn die Hochschulen 500 Euro im Semester einnehmen, können sie damit nur ihre allergrößte Not lindern. Also in der oft unzureichend ausgestatteten Lehre. Kurzfristig wäre diese Gebührenhöhe allerdings das Maximum – weil die Stipendien noch nicht vorhanden sind, die Studierende für die Finanzierung ihres Studiums benötigen. Mittelfristig wären Studiengebühren von 2.500 Euro je Semester an guten Unis nicht absurd.

Also stimmt die anfangs genannte Gebührenhöhe nicht. Auch gibt es weder eine Garantie dafür, dass das Geld an den Unis bleibt, noch wurde ein Stipendiensystem entwickelt. Haben die Gebührenbefürworter die Öffentlichkeit angeschwindelt?

Nein, niemand hat geschwindelt. Man kann sehr wohl dafür sorgen, dass das Geld in den Unis verbleibt. Mit Hochschulverträgen können Wissenschafts- und Finanzminister gewissermaßen eine Vereinbarung mit der interessierten Öffentlichkeit treffen, dass die eingenommenen Hörergelder für die Verbesserung der Lehre eingesetzt werden.

Das klingt nicht nach einem durchdachten Modell. Was nützen denn Unigebühren, wenn Bürokratie und Missbrauch durch den Staat drohen?

Sie urteilen übereilt! Das Karlsruher Urteil zwingt ja nicht dazu, jetzt sofort überall Gebühren einzuführen. Es muss in der Tat noch einmal im Detail nachgedacht werden. In jedem Fall werden die Studierenden als Nachfrager, als Kunden gestärkt. Das kann man sicher aus Erfahrungen im Ausland ablesen: Studierende stellen ganz andere Ansprüche an die Lehre und an die Professoren, wenn sie fürs Studium bezahlen. Als es noch Hörergeld gab, haben selbst Großordinarien volle Hörsäle noch gesucht.

Für 1.000 Euro im Jahr macht sich doch keine Uni die Mühe, die Lehre für die Studenten zu verbessern. Erwarten Sie wirklich eine Steuerungswirkung von Studiengebühren?

Da werden die Studenten schon Druck machen. Im Übrigen sind höhere Gebühren für gute Unis sinnvoll.

Warum greift man dann nicht lieber den Vorschlag von Rheinland-Pfalz’ Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) auf, der einen Lastenausgleich zwischen den Ländern in die Debatte gebracht hat? Wenn Ausbildungsmuffel unter den Bundesländern den ausbildungsstärksten Konkurrenten für jeden Studierenden die vollen Kosten eines Studienplatzes ersetzen müssen, böte das doch größere Steuerungsimpulse …

Ja, aber nicht bei den Studenten. Und über das Zöllner-Modell kommt leider kein zusätzliches Geld in die Unis. Ansonsten brauchen Sie mich von der Idee nicht überzeugen. Die Steuerungseffekte aufseiten der Unis sind da selbstverständlich um mehrere Dimensionen stärker als bei den Gebühren – schließlich geht es, so in der Schweiz, je nach Fächergruppe, um 8.000 bis zu 43.000 Euro, die ein Student an die Universität seiner Wahl mitbringt. Vor allem kehrt diese Art Finanzausgleich den einschläfernden Mechanismus des bestehenden Länderfinanzausgleichs um. Endlich! Beim universitären Lastenausgleich Zöllners wird dasjenige Bundesland belohnt, das sich um Studierende bemüht, das, allgemein gesprochen, sich bewegt. Beim normalen Finanzausgleich wird hingegen faktisch Untätigkeit belohnt.

Wo liegt dann das Problem des Zöllner-Modells?

Es muss im Rahmen der Föderalismusreform diskutiert werden, und die ist vorläufig ja gescheitert. Da Bildung und Wissenschaft aber unstrittig in allen Parteien hohe Priorität genießen, ist vielleicht gerade hier noch überraschende Bewegung möglich.

Also, das bessere System kommt nicht, das schlechtere wird länderweise eingeführt. Was muss Ihrer Ansicht nach jetzt passieren, dass die Hochschulen etwas davon haben?

Studentische Gebühren sind nicht per se schlecht. Das wird auch nicht richtig, weil sie das hier immer wieder behaupten. Wenn einige Unis mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Studienbedingungen wirklich verbessern, dann werden sie dafür mit guten Studierenden belohnt. Die Unilandschaft wird sich ausdifferenzieren.

Was halten Sie von der Idee, die Studierenden nicht nur viel stärker als bisher an der Finanzierung der Unis zu beteiligen, sondern auch an ihrer Verwaltung? Sprich: den Studierenden als Organisation die Gebühren zur Kontrolle und Verwendung zu überlassen?

Reizvolle Idee, sie hat allerdings auch einen Haken: Nicht jede Uni ist so klein und mit so handverlesenen Studierenden ausgestattet wie zum Beispiel die in Witten/Herdecke oder die neue Zeppelin-Uni am Bodensee. Bei dem Selbstverwaltungsmodell kommt es sehr auf das Engagement der Studierenden an. Ich finde, man sollte das den Universitäten selbst überlassen, ob sie ihre Studierenden so stark am Geschäft beteiligen. Denn nicht alle Studierenden werden das selbst wollen.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER