Das Portemonnaie bleibt zu

Grüne fordern mehr Transparenz bei den Einkünften von Abgeordneten. Ihre Initiative wird von den anderen Fraktionen abgelehnt: Nutzen des Vorstoßes sei fragwürdig, rechtlich sei er nicht umsetzbar

VON ULRICH SCHULTE
UND STEFAN ALBERTI

Wenigstens eines ist bei der Debatte um berufliche Tätigkeiten von Abgeordneten absolut transparent: In Berlin bleibt alles, wie es ist. Die Grünen basteln zwar derzeit an einem Gesetzesantrag, der für mehr Durchblick bei Abgeordneten-Einkünften sorgen soll. „Wir werden ihn in einer der nächsten Plenarsitzungen einreichen“, kündigte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann an. Mit dieser Idee steht die Partei aber alleine da.

Das Hauptargument der Kritiker: Das Abgeordnetenhaus ist – ebenso wie die Hamburger und die Bremer Bürgerschaft – ein Teilzeitparlament. Dass die Parlamentarier in ihren Berufen weiter arbeiten, ist üblich und sogar gewollt, auch wenn es längst nicht alle tun. Private Expertise nutzt bei politischen Entscheidungen, so lautet der Grundgedanke.

Ob und wie umgekehrt politisches Wissen bei Privatgeschäften nutzt, wissen selbst die Abgeordneten von ihren KollegInnen nicht so genau, geschweige denn die Öffentlichkeit. Beispiel Bauausschuss: Hier sitzen Marketingberater neben Chefs von Architektenbüros. Wen sie genau beraten oder welche Objekte sie bauen, war bisher unklar (siehe Text unten).

Die Grünen wollen in ihrem Antrag mit zwei Forderungen Abhilfe schaffen: Die Abgeordneten sollen ihr Einkommen aus Hauptberuf sowie anderen Nebentätigkeiten wie Beratungen oder Vorträgen offen legen. Auch über Arbeitgeber und andere Quellen, aus denen das Geld stammt, wollen sie die Öffentlichkeit informieren.

Doch der Vorschlag stößt auf wenig Gegenliebe: Als einer der Ersten verbreitete Abgeordnetenhaus-Präsident Walter Momper vor zwei Wochen die frohe Botschaft, in Berlin sei alles bestens. Natürlich habe der Bürger Anspruch auf Transparenz, doch schließlich sei das Steuergeheimnis „eines der wichtigsten Bürgerrechte“. Fazit: kein Handlungsbedarf. Deutliche Worte vom Parlamentspräsidenten, der außerdem Chef einer Projektentwicklungsfirma ist, welche sich zum Beispiel um die Ansiedelung von Ikea an der Landsberger Allee gekümmert hat.

Solchen Verquickungen wollen die Grünen vorbeugen: „Nur wenn alle Angaben vorliegen, kann die Öffentlichkeit Verbindungen und mögliche Interessenskollisionen nachvollziehen“, sagt Ratzmann. Die anderen Fraktionen sehen das anders: „Generell ein richtiges Ansinnen“, findet PDS-Fraktionsvorsitzender Stefan Liebich, der eigene Einkünfte auf seiner Internetseite dokumentiert – er hält selbiges aber nur bei einem Vollzeitparlament für angebracht. „Bei uns arbeiten Leute als Angestellte. Da untersagt schon der Arbeitgeber die Offenlegung der Gehälter.“

Die FDP zweifelt am Nutzen eines Transparenzgesetzes: „Wer wirklich betrügen will, kann das mit Sachen wie einer stillen Gesellschaftsbeteiligung immer tun – das kriegt niemand mit“, sagt der Fraktionsvorsitzende Martin Lindner. Wenn man die Leute zum Offenlegen der Gehälter zwingt, wird sich kaum noch jemand fürs Parlament bewerben, fürchtet er.

Wenig Verständnis für die Grünen-Forderung hat auch die SPD-Fraktion. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Christian Gaebler spricht sich zwar dafür aus, dass der Parlamentspräsident die Abgeordneten nicht wie derzeit nur am Anfang einer Wahlperiode, sondern alle halbe Jahre nach ihren Tätigkeiten befragt. Gaebler kann sich auch ein Strafgeld von 500 Euro für falsche Angaben vorstellen.

Gehälter und sonstige Einkünfte für jeden Wähler offen zu legen, lehnt er jedoch ab. „Auch für Abgeordnete gibt es ein Steuergeheimnis“, sagt Gaebler. Konkreten Verdächtigungen könne man nachgehen, aber eine solche Verpflichtung würde alle Abgeordneten unter Generalverdacht stellen. Manche Arbeitgeber würden es ihren Angestellten zudem ausdrücklich untersagen, über ihr Gehalt zu reden. „Die Grünen legen doch sonst so viel Wert auf Datenschutz und Bürgerrechte – hier offenbar nicht“, kritisiert Gaebler.

Sein CDU-Kollege Uwe Goetze teilt die ablehnende Haltung. Mögliche Interessenskollisionen würden zudem nicht von der Höhe der Einkünfte abhängen, die nach Grünen-Vorstellung für jeden nachlesbar sein soll. „Das unterstellt, dass man ab einer gewissen Summe käuflich ist“, sagt Goetze.

Die Berliner Abgeordneten beziehen für ihr parlamentarisches Engagement eine Entschädigung. Sie ist im Landesabgeordnetengesetz geregelt: 2.951 Euro im Monat, dazu kommt eine Pauschale von 870 Euro für Telefon-, Fahrt- und ähnliche Kosten.

Dieses Gesetz könnte bald erweitert werden. Denn zumindest mit einer Neuerung können sich alle Fraktionen anfreunden: die bestehenden Verhaltensregeln (siehe Kasten), dass Abgeordnete allgemein Auskunft über Haupt- und Nebenjobs geben müssen, in den Gesetzestext zu schreiben. Dadurch ändert sich, wie gesagt, natürlich nichts.