Neue Internetautobahnen stören Funkverkehr

Die geplante Nutzung von Freileitungen für die Internetkommunikation könnte das Ende des weitreichenden Kurzwellenfunks bedeuten

Der Konflikt ist noch nicht gelöst: Die geplante Nutzung von Freileitungen als neue Trassen für die Internetkommunikation wird massive Störungen für den Kurzwellenfunk mit sich bringen. Dabei sind es vor allem die Kurzwellenfunker, die in Notsituationen eine schnelle Kommunikation ermöglichen.

Nachdem die Flutwelle am 26. Dezember 2004 Sri Lanka heimgesucht hatte, stellte Viktor Goonetilleke, der Vorsitzende der nationalen Funkamateurvereinigung, dem Premierminister des Landes in dessen Notzentrale in Colombo eine tragbare Kurzwellenstation zur Verfügung. Gleichzeitig stellten drei andere Funkamateure im verwüsteten Hambantota an der Südostküste eine gleichartige Kurzwellenstation auf. Während zwei Tagen, an denen die Militärs zerstörte Elektrizitäts- und Telefonleitungen wiederherstellten, konnte der Premierminister dadurch Kontakt mit Rettungstrupps vor Ort über Kurzwelle halten.

Es waren auch Kurzwellen, die die Nachricht von der Flutwelle von den Andamanen, Sri Lanka und Indien in alle Welt beförderten. Dasselbe gilt für die Ereignisse des 11. September 2001 in New York und die Wirbelsturmwarnungen in der Karibik.

Wenn die Elektrizitätsversorgung und damit Telefon- und Internetverbindungen zusammenbrechen, können allein Funkamateure mit ihren autonomen Geräten noch Kommunikation über beliebige Entfernungen aufrechterhalten. Vielleicht nicht mehr lange: wenn Pläne Wirklichkeit werden, denen zufolge Breitband-Internetsignale geschäftlichen und privaten Nutzern über Freileitungen anstatt wie bisher über Telefonleitungen zugeführt werden sollen.

Die Erzeuger elektrischer Energie und Freileitungsbetreiber in den USA und in Europa haben entdeckt, dass sich ihre Freileitungsnetze auch zum Transport von Internetdaten in Konkurrenz zu den Datennetzen der Telefongesellschaften nutzen lassen. Dabei transportiert der 50- oder 60-Hertz-Träger des Stromnetzes ein Frequenzband mit den Internetdaten gleichsam im Huckepackverfahren.

Im Gegensatz zu Telefonkabeln und Lichtleitern wirken Freileitungen aber wie allgegenwärtige Sendeantennen, und die von ihnen abgestrahlten Signale stören die Signale der im Kurzwellenbereich arbeitenden Funkamateure und Rundfunksender wie BBC und Deutsche Welle sowie die international festgelegten Notruf-Frequenzen.

Die US-Regierung gab im Oktober grünes Licht zur Entwicklung der BPL-Technik (Broadband over Power Line), und die Europäische Kommission steht kurz vor der Zustimmung zur hierorts PLC (Power Line Communication) genannten Version. Da die Internetdaten zur Übertragung auf Freileitungen und wegen der erforderlichen Datenrate von 5 bis 10 Mbit pro Sekunde über viele Trägerfrequenzen im Bereich zwischen 2 und 30 MHz verteilt werden müssten, würde der gesamte Kurzwellenbereich für andere Benutzer beeinträchtigt oder unbrauchbar.

Auf dem Prüfstand der Politiker steht damit nicht nur die Frage: Wer darf Internetdaten weiterleiten, sondern auch: Für wie wertvoll werden eigentlich die Nutzungsrechte eines bisherigen Allgemeinguts, nämlich eines Teils der elektromagnetischen Wellen, angesehen.

JÜRGEN WOELKI