100 Milliarden Dollar Profit

Die Ölkonzerne verkünden das goldenste Jahr ihrer Geschichte – denn der Markt kann nicht funktionieren

Die Zahlen in der Ölbranche sind immer schon gewaltiger als anderswo. Was aber die fünf großen Ölkonzerne in diesen Wochen verkünden, bricht alle Rekorde. Shell meldete gestern rund 18 Milliarden Dollar Reingewinn nach Steuern für das Jahr 2004, ExxonMobil am Montag über 25 Milliarden, die britische BP Amoco wird in der kommenden Woche auch bei etwa 25 Milliarden erwartet. Die beiden halb so großen Firmen auf den Plätzen vier und fünf, Chevron und Totalfinaelf, halten gut mit und liegen denn auch bei der Hälfte der Profitsumme.

Der kombinierte Jahresgewinn der fünf Ölkonzerne geht also an die 100 Milliarden Dollar heran – wenn man die Milliardensummen hineinrechnet, die sie für den Rückkauf eigener Aktien ausgeben, sogar deutlich darüber. Der Umsatz liegt zusammen bei über 1,2 Billionen Dollar, das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt eines größeren Industrielandes wie Italien.

Die Konzerne profitieren von den hohen Ölpreisen, weil sie ohne zusätzliche Investitionen höhere Umsätze erzielen. Sie können den USA also für jeden Winkelzug im Irak und anderswo danken. Solange die Weltwirtschaft nicht zusammenbricht, wird ihnen jeder lokale Krieg neue Rekorde bringen.

Wer profitiert von diesen Profiten? Zuerst natürlich die Länder, die Öl exportieren. Sie erhalten schließlich Prozente. Aber auch die Aktionäre können sich freuen. Ihre Dividenden steigen in Bereiche, wie man sie mit den Zinsen von Staatsanleihen erzielt. Und dann haben sie ja noch den ebenfalls nicht gerade schrumpfenden Wert des Aktienbesitzes. Der auf diese Weise doppelt wertvolle Aktienbesitz der Ölmultis ist größtenteils breit gestreut unter Einzelpersonen und Fondsgesellschaften.

Warum aber gibt es keine Korrektur der Preise, wie man es von einer Marktwirtschaft doch erwarten sollte? Weil der Ölmarkt bei allem Zucken der Preise ziemlich starr ist. Bis die Verbraucher wirklich sparen, braucht es wahre Preisschocks. Alle fahren weiter Autos, heizen weiter und nutzen Kunststoffe auf Ölbasis. Der Verbrauch weltweit steigt sogar kontinuierlich an, in den vergangenen zehn Jahren um etwa 12 Millionen Barrel auf derzeit etwa 84 Millionen Barrel pro Tag (1 Barrel = 159 Liter). Vor allem in den USA und den Schwellenländern steigt der Ölkonsum, allen voran China. Da können die Ölabnehmer noch so mit den Zähnen knirschen ob der Preistreiberei von Ölkonzernen und -exporteuren – sie brauchen den Saft und ihre Kundschaft kauft ihnen bisher auch zu jedem Preis die Ware ab.

In den meisten anderen Märkten würden angesichts solcher Profite neue Akteure auf den Plan treten. Das aber ist beim Öl sehr schwierig: Es erfordert enorme Summen Kapitals und seltenes Know-how. Außerdem sind die bedeutenden und billigen Ölvorkommen fest in Händen der derzeitigen Mitspieler.

Einzig aus den Ölkonzernen Chinas droht den Multis Gefahr: Wer den dortigen bald größten Markt der Welt kontrolliert, will aus strategischen Gründen auch Kontrolle über seine Förderung haben. So versuchen die Chinesen gerade weltweit sich in Ölvorkommen einzukaufen oder neue zu erschließen. Dem Verbraucher hierzulande wird das aber leider wenig bringen. Denn ob nun fünf oder sieben Ölmultis die Preise an den Zapfsäulen der Welt hochtreiben, kann ihm egal sein. REINER METZGER